Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
weiß ich, dass ich, durch wen auch immer, einer intensiven Leibesvisitation unterzogen werde.
Aus Erfahrung habe ich gelernt, dass man niemals mit Mike reden sollte, bevor er seinen ersten Blowjob des Tages hinter sich hat, was normalerweise ab elf Uhr der Fall ist. Obwohl grünes Blut durch Mikes Adern fließt, steht er auf die Ehegesetze der englischen Feudalherren, die schon Mel Gibson in Braveheart so in Rage brachten. Also komme ich erst kurz nach Mittag vorbeigeschlendert, in der Hoffnung, dass Mike bereits Gelegenheit hatte, Dampf abzulassen. Ehrlich gesagt kommt es mir fast komisch vor, draußen auf offener Straße herumzuspazieren, ohne dass jemand eine Waffe auf mich richtet. Ab und an springe ich unvermittelt zur Seite, nur für den Fall, dass irgendwo jemand auf einem Dach sitzt und mich durch ein Zeissfernrohr beobachtet. Ich erreiche Mikes Straßenecke unbeschossen, also bin ich entweder paranoid, oder mein Zickzackgang hat funktioniert.
Wahrscheinlich sollte ich es so lange wie möglich genießen, ausnahmsweise mal keine Zielscheibe zu sein.
Mr Nasenbart, Manny Booker, steht draußen vor der Tür und hat sein schönstes Knallhartgesicht aufgesetzt, aber ich schätze mal, unter seinem marineblauen Anzug, den Mike seine Männer zu tragen zwingt, schwitzt er Sturzbäche. Gesichtsbehaarung und Anzug zusammen erzeugen eine Menge Hitze, die auf einem so kleinen Gehirn lastet. Die brutale Katastrophe ist praktisch vorprogrammiert.
Ich nähere mich Manny langsam und gut sichtbar, denn ich vermute, dass er in Bezug auf mich recht nervös ist, woran ich verdammt noch mal selbst schuld bin. Ich kann nicht anders als Booker verarschen, weil er die ganze Gangsta- Sache so ernst nimmt. Tagelang ist er fix und fertig, weil er versuchen muss, das Gesicht zu wahren, oder weil ihm jemand nicht den gebührenden Respekt entgegengebracht hat. Jede Kleinigkeit ist für Manny von unendlicher Bedeutung. Wenn er nur die Straße runterläuft, versucht er so krampfhaft bedrohlich zu wirken, dass es knistert. Jemand sollte ihm sagen, dass es einfach nur nach Verstopfung aussieht. Wenn Gott einem einen ständig unter Strom stehenden Menschen wie Manny über den Weg schickt, hat man die verdammte Pflicht, ihn zu verarschen. Wie mein zitierfähiger Freund Zebulon Kronski einmal gesagt hat: Kommt einem ein so riesiger Dödel unter, muss man damit spielen.
Nie etwas Wahreres gehört.
Also vergewissere ich mich, als ich die Stufen hinaufsteige, dass mich Booker auch wirklich anguckt.
»Hey, Manny«, sage ich. »Wie geht’s heute? Der Bart sieht gut aus. Unverdorben.«
Mir wird klar, dass ich den Jungen zu oft verascht habe, und jetzt erkennt er kein aufrichtiges Kompliment mehr, selbst wenn er ausnahmsweise mal eins bekommt.
»Unver-was? Fick dich, McEvoy. Wenn ich dir den Schwanz abschneiden und dir in die Fresse rammen würde, hätte ich was Gutes getan.«
Ich schwöre, das ist ein Spruch aus irgendeinem Pate -mäßigen Spielfilm.
»Wir können’s alle kaum erwarten, Manny«, sage ich freundlich und komme zum Geschäft. »Wie geht’s Mike? Hatte er schon seinen morgendlichen …?«
Anstatt die Frage zu beenden, zwinkere ich zweimal, was der Goodfellas-Code für Blowjob ist.
»Nein«, sagt Manny. »Er lässt eine Neue vortanzen. Calvin hat sie angeschleppt.«
Mike führt zwei Lap-Dance-Läden hier in der Einkaufsstraße von Cloisters, die gerade mal über zwei Straßenecken führt. Er hält es für gute Geschäftspraxis, auf jede neue potentielle Angestellte persönlich einen Blick zu werfen. Außerdem führt er einen Imbiss, aber die Bewerbungsgespräche mit den Kellnerinnen verlaufen nicht immer ganz so stringent, da sie Sachen anfassen, die sich Mike in den Mund stecken will.
Aus diesem Grund konnte Mike seine morgendlichen Verspannungen noch nicht abschütteln. Nicht der beste Zeitpunkt, um über einen Waffenstillstand zu verhandeln.
»Okay. Ich hol mir noch einen Caffè Latte und bin in einer Stunde wieder da.«
Manny starrt mich wütend an. »Verfluchte Scheiße, sieh bloß zu, dass du zurückkommst.«
Es geht schon wieder los.
»Ich hab doch gerade gesagt, dass ich in einer Stunde wieder da bin.«
Manny neigt den Kopf, um maximale Bösartigkeit zu signalisieren, und sein Bart raschelt dabei. »Und ich hab gesagt, sieh verflucht noch mal zu, dass du zurückkommst.«
Manny bedient sich der jahrhundertealten Taktik, Einschüchterung durch penetrantes Wiederholen, kombiniert mit Schimpfwortgebrauch.
Ich
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