Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
beschließe, ihm entgegenzukommen. »Willst du auch was, Manny? Latte? Nein, du siehst eher aus wie ein Mochachino-Typ, hab ich recht?«
Wie vorauszusehen war, ist Manny empört über die Unterstellung.
Ich habe gehört, dass er einmal einer Lady an die Gurgel gegangen ist, weil sie ihn gefragt hat, ob er Twilight gelesen habe.
»Mocha-was? Ist das ein Schwuchtel-Gesöff? Hast du mich Schwuchtel genannt?«
Ich muss zurückrudern, sonst sticht mich dieser Trottel noch eines Nachts in einer dunklen Gasse ab.
»Okay, Manny. Ganz ruhig. In einer Stunde bin ich wieder da, ehrlich. Großes Gangsterehrenwort.«
Mannys Telefon klingelt. Sein Klingelton ist »Eye of the Tiger«, und wir beide singen ein paar Sekunden, bevor er drangeht. Das ist das Problem mit guten Melodien als Klingelton: Manchmal will man auch den Refrain noch hören.
»Scheiße, ja«, sagt er. »Fuckin’ A.«
Der Mann ist voller Scheiße. Als müsste er eine Quote erfüllen.
»Du trinkst jetzt keine schwulen Getränke mehr, McEvoy. Der Boss hat dich über die Scheißsicherheitskamera gesehen. Du gehst jetzt hoch auf Position.«
Ich blicke den Plastikkäfer am Türrahmen düster an. Sieht aus, als hätte ich einen Termin bei einem notgeilen irischen Mafiagangster.
Drinnen summt die Atmosphäre vor Vorfreude. Das Licht ist gedämpft, und Mike sitzt mit seinen Jungs in einem kleinen Halbkreis vor einer improvisierten Bühne, auf der eine Leinwand befestigt ist. An der Art, wie sich Mike auf die Schenkel klopft, kann ich erkennen, dass er total heiß auf das ist, was gleich kommen wird, und wäre das Licht noch schwächer, möchte ich schwören, dass er seinen Schwanz auspacken würde. Ich muss jetzt loslabern, sonst sitze ich hier den ganzen Tag fest.
»Mister Madden. Hey, Mike, wir müssen reden.«
Mike hat kaum einen Blick für mich übrig. »Ja, McEvoy. Gib mir eine Minute, mein Kleiner. Vielleicht auch zwei. Setz dich auf deinen Arsch.«
Ich überlege ernsthaft, ob ich sofort handgreiflich werden soll. Theoretisch bin ich unbewaffnet, aber ich kann auch ohne Pistole großen Schaden anrichten, und diesem Rammelgeier hier hängt Herrgott noch mal die Zunge zum Hals raus. Ich könnte eine ganz anständige Zahl von Knochen brechen, bevor Mike überhaupt kapiert, was los ist.
So attraktiv diese Idee auch sein mag, es wäre Selbstmord. Meine Gegenseite kann ein Dutzend Verletzte verkraften, ich keinen einzigen. Also setze ich mich auf meinen Arsch und gehe noch mal die Rede durch, die ich vor diesem Haufen Perverser halten möchte.
Mikes Nummer zwei, sein Stellvertreter Calvin, springt auf die Bühne und fuchtelt mit den Händen, damit alle den Mund halten.
»Okay, Jungs. Mister Madden. Ich habe heute mal was ganz anderes hier, gebt ihr eine Chance. Das Mädchen ist eine Gelddruckmaschine.«
»Das will ich hoffen«, sagt Mike und fasst sich in den Schritt.
»Die Letzte, die du angeschleppt hast, hat getanzt wie unter Elektroschock. Ich hab der Alten Geld gegeben, nur damit sie ihre Klamotten anbehält.«
Alle lachen, die Laune ist bestens. Mike scheint keineswegs unter den negativen Nachwirkungen der Schießerei bei sich zu Hause zu leiden. Warum auch? Er lebt und ist mehrere Zehntausend Dollar reicher, und das alles zum Preis einer Fensterfront, die wahrscheinlich ohnehin demnächst durch kugelsicheres Glas hätte ersetzt werden müssen. Und heute ist erneut ein paradiesischer Tag in Mikes Leben: eine Tänzerin angaffen, ein paar Minuten mit ihr im Hinterzimmer verbringen, mir eine Kugel in die Fresse ballern.
Alles ist gut.
Ein Mädchen tritt hinter dem Vorhang hervor und steigt auf die Bühne. Sie hat was, keine Frage: lange Turnerinnenbeine, ein glitzerndes Bauchtänzerinnenoutfit und ein für diese Tiere hier viel zu hübsches Gesicht.
»Okay, Cal«, sagt Mike. »Sie sieht gut aus, das muss ich dir lassen, mein Kleiner. Aber ich hab viele, die gut aussehen.«
»Warte, Mister Madden, du brauchst die Scheinwerfer, damit du siehst, wie das wirkt.«
Calvin springt von der Bühne und betätigt ein paar Tasten auf seinem Laptop. Psychedelische Spiralen wirbeln über die Leinwand, und einer der besseren Popjazzclassics von Sade erklingt.
Sade. Es gibt keinen lebenden Hetero, der nicht in Weichzeichner-Szenarien abdriftet, wenn diese Dame singt.
Die Bewegungen des Mädchens passen perfekt zur Stimmung. Nicht das sonst übliche Arschgewackel und Hüfteschwingen, diese Tänzerin versteht was von langsamer Verführung. Ihre Arme machen
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