Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
trage. Jedes Mal, wenn ich Mike gegenübertrete, gebe ich dreist Widerworte und werfe ihm Unverschämtheiten an den Kopf. Bekomme ich es mit der Angst zu tun, scheint sich mein Mundwerk von meinem Gehirn abzusetzen, welches augenblicklich zusammenschrumpft wie ein Stück Fleisch auf einem heißen Stein. Simon Moriarty, mein Gelegenheits-Therapeut, sprach diese Neigung während einer unserer Sitzungen an, in der ich wieder einmal versuchte, meine Kriegsneurose mit Humor zu überspielen.
»Sie haben zwei Probleme, Sergeant McEvoy«, erklärte er mir, als ich am Fenster stand und den Blick über den Hof schweifen
ließ.
»Nur zwei«, erwiderte ich. »Dann haben wir ja Fortschritte gemacht.«
»Sehen Sie, das ist schon das eine. Dieses permanente Gequatsche. Der verbale Dünnpfiff.«
»Von verbalem Dünnpfiff bekomme ich Durchfall«, sprudelte es aus meinem Mund.
Simon schlug die Hände zusammen. »Und schon wieder. Der Fachbegriff für diesen Tick ist Nichtwahrhabenwollen. Sie benutzen ihn als Bewältigungsmechanismus.«
»Nichtwahrhabenwollen. Das Wort ist viel zu lang für einen einfachen Sergeant, Doctor.«
»Irgendwann waren Sie mal ansatzweise witzig, aber jetzt verschwenden Sie nur Ihre Zeit.«
Ich lenkte ein. »Okay, Simon. Schießen Sie los.«
»Das Nichtwahrhabenwollen ist der klassische Bewältigungsmechanismus. Er schützt das Ich vor Dingen, mit denen es nicht klarkommt. Der Patient weigert sich schlichtweg zu glauben, dass er unter Stress steht, und ich denke, dass Sie grundsätzlich in Stresssituationen Witze reißen, ohne es überhaupt zu merken. Je gefährlicher die Situation, umso mehr pseudowitzige Klugscheißerei.«
Ich ließ es mir durch den Kopf gehen. Zweifellos war es richtig, dass ich dauernd die Klappe aufriss und mir damit oft selbst ins Bein schoss. Ich hatte mich für mutig gehalten und geglaubt, andere Menschen würden mich zähneknirschend dafür bewundern.
Da fiel mir etwas ein. »Hey, Doc. Sie haben gesagt, ich hätte noch ein zweites Problem.«
»Das stimmt.«
»Wollen Sie’s mir verraten?«
Simon schob sich mit seinem Bürostuhl ans Fenster, zündete sich einen Stumpen an und blies den Rauch nach draußen.
»Ihr zweites Problem ist, dass Sie nicht witzig sind, und ein Klugscheißer wird nur dann toleriert, wenn er amüsant ist.«
Das verletzte mich. Ich hatte mich insgeheim für halbwegs lustig gehalten.
Zeb steht im Gang und fleht Manny an, ihm in die Magengrube zu schlagen.
»Komm schon, Mann, hau mir eine rein«, drängt er ihn, zieht sein Hemd hoch und entblößt einen Bauch, der ungefähr so muskulös wirkt wie eine Tüte Milch. »Mach’s einfach. Ich hab mit Personal Trainer der Stars auf DVD trainiert. Du kannst mir gar nicht weh tun, selbst wenn du’s versuchst. Die Muskeln hier sind hart wie Stein.«
Ich kann sehen, wie Manny Bookers Hirn eine Kernschmelze durchläuft. Normalerweise betteln die Leute nicht darum, verprügelt zu werden, und trotzdem ist er angestellt, um Menschen weh zu tun. Ich erlöse beide aus ihrem Elend, indem ich Zeb im Vorbeigehen einen Haken in den Solarplexus verpasse. Er rollt sich atemlos zur Kugel zusammen, und ich kann nicht behaupten, dass mir der Anblick kein Grinsen entlockt.
»Das Geld für die DVD solltest du dir wiedergeben lassen, Zeb«, sage ich im Weitergehen, was ziemlich cool aussehen muss, falls jemand mitfilmt.
Ich bin versucht, stehen zu bleiben und zuzusehen, wie Zeb sich auf dem Teppichboden windet, aber eigentlich genügt es mir schon, ihn würgen zu hören.
Ich bin zwei Straßenecken weiter, als er mich mit seinem Prius einholt. Jemand hat Zeb erzählt, Leonardo würde einen Prius fahren, und das war’s dann.
»Was soll das, Ire? Du stellst unsere Freundschaft auf eine harte Probe.«
Ich gehe weiter. Man darf sich auf keine Debatte mit Zeb Kronski einlassen, sonst wird man verrückt. Trotzdem kann ich nicht anders, als in Gedanken zu erwidern:
Ich stelle unsere Freundschaft auf die Probe? Ich? Wegen dir muss ich bei einem überempfindlichen Kerl in SoHo einen geheimnisvollen Umschlag abliefern. Wegen dir stecke ich erneut in einer Situation, in der es um Leben und Tod geht. Wobei es sich um mein Leben und daher wahrscheinlich auch um meinen Tod handelt.
»Ich dachte, wir sind ein Team, Dan. Semper fi, bro .«
Semper fi, dass ich nicht lache. Er war Sanitäter bei der israelischen Armee, ich war Friedenswächter bei den UN . Keiner von uns beiden war jemals ein Marine.
Ich gehe weiter, und er fährt
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