Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
Neuronen ein bisschen durcheinandergewirbelt. Ich blinzele, bis ich die Welt wieder scharf sehe, und wünsche sofort, ich hätte es nicht getan.
Zwei Typen in Latexklamotten und mit Masken vorm Gesicht, vermutlich Krieger und Fortz, tanzen um einen Laptop auf einem Hocker herum. Der Boden ist mit Plastik ausgelegt.
Was ist nur aus der Menschheit geworden? Einst war Marilyn Monroe mit einem Apfel in der Hand das schärfste Ding auf Erden. Jetzt haben wir in die Jahre gekommene Streifenpolizisten im Latexdress?
Ich huste ein paarmal, was sich anfühlt, als würde sich mein Hirn aufblasen, dann sage ich: »Wisst ihr was, Jungs. Egal was passiert, Hauptsache, wir haben unsere Würde bewahrt.«
Nichtwahrhabenwollen. Klarer Fall von.
»Hey«, sagt Fortz, und ich weiß, dass er es ist, nicht weil der Satz nur aus einer einzigen Silbe besteht, sondern weil seine eng beieinanderliegenden Augen sich aufgrund der Suppenschüsselform seines Kopfes nicht genau dort befinden, wo sie den Augenhöhlen nach eigentlich sein sollten.
»Na schau mal, wer da aufgewacht ist.«
Krieger pfeift. »Gott sei Dank. Eine Sekunde lang dachte ich schon, wir hätten ihn mit der zweiten Ladung umgebracht.«
Fortz knufft seinen Partner an die nackte, dichtbehaarte Schulter. »Warum hast du sie ihm dann verpasst, du Horst?«
»Weil ich sauer auf dich war, Dirk«, sagt Krieger, dessen Körpersprache Arschloch schreit. »Du hast mich schon die ganze Woche auf dem Kieker.«
Dirk Fortz verdreht erneut die Augen. »Ach, Scheiße, Krieger. Wir sind doch Partner. Ein bisschen Verarsche gehört doch dazu.« Er wendet sich an mich. »Da hast du aber keine schlechte Pumpe. Ich hab’s noch nie erlebt, dass einer nach einem Elektroschock noch so viel quasseln kann.«
Hinter meinen Augen wogt der Schmerz, und eigentlich würde ich wirklich gerne ein Nickerchen machen, aber ich vermute, dass ich die Scheiße, die gleich in irgendeiner Form auf mich zukommen wird, am besten abwehre, wenn ich das Gespräch in die Länge ziehe.
»Kommt auf die Waffe an. Ich wurde im vergangenen Jahr von fünftausend Volt getroffen, da bin ich aus den Latschen gekippt. Was habt ihr da? Dreißig?«
Fortz’ Lippe quillt aus dem Loch in seiner Gummimaske. »Nein, das sind schon fünfzig. Jedenfalls steht’s auf dem Lauf. Bei den Dingern weiß man aber nie, stimmt’s? Eine Kugel ist eine Kugel. Aber aus einem Taser könnte auch Feenstaub spritzen, woher soll ich das wissen.«
»Verflixte Elektrizität«, pflichte ich ihm gutmütig bei, versuche es mit umgekehrtem Stockholm-Syndrom. »Das ist gemeine unsichtbare Scheiße.«
Krieger unterbricht unseren emotionalen Bindungsprozess. »Dirk, wir sind jetzt schon bei fünfzehntausend«, sagt er und tippt auf den Bildschirm des Laptops. »Wir sollten uns einölen.«
Wegen der Maske ist Krieger schwer zu verstehen. Ich hoffe, dass er nicht einölen gesagt hat.
»Fünfzehntausend«, sagt Fortz und klatscht in die Hände. »Zwanzig haben wir uns vorgenommen, worauf du sehr stolz sein kannst. Noch fünf, und es kann losgehen.«
Losgehen? Soll das heißen, es hat noch gar nicht angefangen? Ich habe eine Ahnung, worauf das hier hinausläuft, sträube mich aber noch dagegen. »Was zum Teufel soll losgehen, Fortz?«, platzt es aus mir heraus.
Der Detective kratzt sich am Bierbauch und ignoriert meine Frage. »Wahrscheinlich hast du dir schon gedacht, dass in diesem Gebäude Pornos gedreht werden, McEvoy. Ein Freund von mir überlässt uns gelegentlich einen Raum. Wusstest du, dass die komplette Serie Zu zwölft im Bett auf dem Bett da hinter dir gefilmt wurde? Sunny Daze hat ihr Debut genau hier gegeben.«
»Nein, wirklich?«, sagt Krieger. »Das hast du mir nie erzählt. Ich liebe die Streifen mit ihr. Besonders Good Daze and Bad Daze.«
»Ein Klassiker!«, sagt Fortz und verliert sich einen Augenblick in liebevoller Erinnerung.
Ich versuche es erneut. »Kommt schon, Jungs. Was hab ich hier verloren?«
Fortz nimmt ein Skalpell vom Tisch. »Deacon meinte, du wärst schlauer, als du aussiehst, also überleg’s dir selbst. Kommst du nicht drauf? Wir sehen uns mal die Hinweise an: Du bist in einem Pornostudio mit Handschellen an einen Stuhl gefesselt. Zwei Männer in Gummi sehen zu, wie die Gebote auf dem Laptop mit der eingebauten Webcam steigen. Was glaubst du wohl, was hier passiert? Wird das ein Pokerabend?«
Die Indizien sind ziemlich eindeutig, aber Cops sind dafür bekannt, dass sie ausgeklügelte Szenarien entwerfen, um
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