Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
Stoff meiner Jacke.
»Was soll das für ein Date sein?«, frage ich, als könnte es was Gutes bedeuten.
»Ich denke, es wird ein Kaffeekränzchen«, sagt Fortz, und sein kleines Gesicht zittert vor lauter Freude wie die letzten Jelly Beans in einer Glasschale.
»Steigen Sie jetzt hinten ein, sonst muss ich mich fragen, warum Sie’s nicht tun?«
Krieger hat es aufgegeben, aussteigen zu wollen, und an seiner Körperhaltung kann ich erkennen, dass er schmollt.
»Okay, ich steige ein. Sagen Sie Ihrem Partner nur, dass er mich nicht erschießen soll. Ich hab ihn nicht in den Wagen gesperrt.«
Fortz’ Augenrollen deutet auf ein gestörtes Kollegenverhältnis hin, verdorben durch viele gemeinsame Jahre übellaunigen Observierens und jede Menge schlechten Kaffee.
»Vielleicht erschieße ich ihn selbst und schiebe es Ihnen in die Schuhe. Wie wäre das?«
Er schubst mich, immer noch grinsend, auf den Rücksitz.
Streifenpolizisten. Echte Spaßkanonen. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Cops einen makabren und unangemessenen Sinn für Humor entwickeln, nur um in ihrem Job zu überleben, aber ich denke, die Veranlagung ist angeboren, lauert unter der Oberfläche und wartet nur darauf, zum Vorschein zu kommen. Wie ein Troll aus einem dunklen Brunnen.
Krieger bietet keinen schönen Anblick, nicht mal von hinten. An seinem Kopf kleben seltsame kleine Haarbüschel wie schmierige Stalaktiten, und sein Specknacken quillt über den zu engen Hemdkragen, was seltsam wirkt, weil er ansonsten streichholzdürr ist.
Fortz fährt. Krieger hat die Arme verschränkt, von ihm gehen frostige Schwingungen aus. Fortz lässt sich das circa zwei Minuten lang bieten, dann …
»Komm schon, Mann«, sagt er, beugt sich rüber und stubst seinen Partner an. »Das mit dem Hydranten war doch lustig. So gut musst du erst mal parken können. König der Rennfahrer , Sportsfreund.«
Knack und Back , denke ich.
Krieger wehrt ihn ab. »Lustig? Wie oft willst du das noch machen? Ich hab’s satt, die Autotür einzudellen. Du weißt doch, dass ich Platzangst habe, Fortz, du Arschloch.«
»Natürlich weiß ich das. Deshalb ist es ja so lustig.«
Sosehr ich diese beiden auch für Idioten halte, müsste ich doch sehr verblendet sein, um die Ähnlichkeiten zwischen ihren Zickereien und dem, was ich mir mit Zeb so alltäglich liefere, nicht herauszuhören. Ein bisschen deprimierend finde ich das schon.
»Hey, Leute«, sage ich und versuche, fröhlich zu klingen. »Wollt ihr wirklich, dass ein Zivilist Zeuge eurer Ehestreitigkeiten wird?«
Krieger fährt mit der Hand zwischen Kopfstütze und Rückenlehne, hält sich fest und dreht sich um. Ich kann nicht anders, als die grün blinkende Elektroschockpistole in seiner Hand zur Kenntnis zu nehmen.
»Nein«, sagt er. »Wollen wir nicht.«
Und er schießt mir in den Oberkörper. Mein gesamtes Universum erstrahlt blau. Durch das Neonlicht höre ich Krieger sagen: »Hat sich dieser Vollpfosten selbst zuzuschreiben.«
Ich frage mich, wen er mit »Vollpfosten« meint.
KAPITEL DREI
Ich zucke unkontrolliert und würdelos auf dem Rücksitz eines Streifenwagens herum, und da meine Wenigkeit nun mal die Geschichte erzählt, müsste herkömmlicherweise an dieser Stelle jetzt eine Traumsequenz oder eine Erinnerung folgen. Ein paar Absätze einfügen und damit die Hintergrundgeschichte aufpeppen. Eine perfekte Schangse , hab ich nicht recht? Nur dass ich irgendwie das Bewusstsein gar nicht so richtig verliere.
Ist mal wieder typisch. Im Libanon damals haben wir uns nur so aus Scheiß ab und zu was mit dem Taser verpasst. Sehr witzig, oder? Einem Typen, der gerade mit seiner Verlobten telefoniert, was ihm nur einmal die Woche gestattet ist, fünftausend Innereien aufwirbelnde Volt durch den Körper jagen. Was haben wir gelacht. Monatelang ging das so, bis einer der Feldwebel einen Herzinfarkt erlitt und ehrenhaft entlassen, wenn auch ohne funktionsfähiges rechtes Bein, nach Hause verschifft wurde. Die Sache ist die, dass ich ein Dutzend Mal dran glauben musste, meistens aber bei Bewusstsein geblieben bin. So wie jetzt auch.
Deshalb sitze ich hier, knirsche so heftig mit den Zähnen, dass die Emaillefüllungen knacken. Mein ganzer Körper ist steif wie ein Bügelbrett, und um meinen Kopf kreist ein Heiligenschein aus Schmerz.
Ich sollte bewusstlos sein. Das tut viel zu weh.
Ich konzentriere mich und spucke Krieger vier Worte entgegen.
»Gib’s … mir … noch mal.«
Krieger lässt sich nicht lumpen
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