Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
habe was zu erledigen.
Sobald ich diese Inhaberschuldverschreibungen abgeliefert habe, kümmere ich mich um die Sache mit Krieger und Fortz.
Dabei kann mir nur Ronnie helfen.
Ich nehme ein Päckchen Lifesavers aus der Lobby mit, dann schiebe ich mich durch die Drehtür ins nachmittägliche Manhattan.
Ich fühle mich, als wäre es mindestens schon Mitternacht, aber die Mühen des Tages haben diesen ähnlich in die Länge gezogen wie ein Baseballmatch, und das ist – Gott möge mir verzeihen – so ziemlich das Langweiligste, was man auf einem Sportplatz machen kann, abgesehen vielleicht von Fegen. Bei meinem ersten Spiel als Zuschauer war die Hälfte der Leute schon weg, bis ich überhaupt gemerkt habe, dass das Match vorbei war. Zeb hatte mich mitgenommen und mir erklärt, wer von der gegnerischen Mannschaft Syphilis hat. Anscheinend war die halbe Spielerbank betroffen.
Ich bin zu erschöpft für den öffentlichen Nahverkehr, also winke ich mir ein Taxi an der Ecke zum Broadway heran und bitte den Fahrer, mich direkt nach SoHo zu bringen. Man sollte meinen, der Kerl wäre außer sich vor Freude über eine so schöne teure Fahrt, aber er trommelt auf dem Lenkrad, als hätte ich gerade gestanden, seine Mutter gevögelt zu haben.
Normalerweise bin ich sehr sensibel gegenüber anderer Leute Stimmung, auch wenn es Arschlöcher sind, aber heute ist nicht normal, also klopfe ich an die Trennscheibe.
»Zwei Sachen, mein Freund«, sage ich. »Erstens, machen Sie bitte diesen Minifernseher hier aus. Lady Gagas modische Erscheinung geht mir am Arsch vorbei.« Was irgendwie gelogen ist, weil sie mich fasziniert und sie außerdem sogar singen kann. »Und zweitens, wenn Sie nicht aufhören, aufs Lenkrad zu trommeln, werde ich Ihnen mit einer der vier Pistolen, die ich bei mir habe, in den Kopf schießen.«
Danach reißt sich der Typ ein bisschen am Riemen, aber sollte es wirklich so weit kommen, wird er mich mit Vergnügen bei einer Gegenüberstellung identifizieren.
Dank des innerstädtischen Verkehrs habe ich jetzt Ruhe, um Tommy Fletcher in Irland anzurufen. Ich suche unter den gespeicherten Kontakten in meinem Handy, das kleine Porträtfoto neben den Details versetzt mich in Gedanken wieder zurück in unsere gemeinsame Zeit bei der Armee. Ich erinnere mich, wie das Foto entstand. Es war der Tag, an dem Corporal Tommy Fletcher bei einer Minenräumaktion am frühen Morgen sein linkes Bein verlor. Tommy meckerte wegen der Hitze und der Fliegen, die ihm wie Geschosse ins Gesicht knallten. Der Schweiß lief mir in die Augen, und ich konnte das Blut unter meinem Helm rauschen hören, war fassungslos darüber, dass die anderen von mir erwarteten, die Leitung zu übernehmen. Die Kinder sahen uns nach, als würden wir sie langweilen, und die alten Männer hockten faul in Sandalen und Jogginghosen von Nike herum, tranken süßen Tee aus winzigen Gläsern, spielten ihre Version von Backgammon und unterhielten sich in einem Tonfall, der sich nach Streit anhörte, von dem ich inzwischen aber wusste, dass er ganz alltäglich war. Sie kümmerten sich absolut nicht um uns.
Ich weiß noch, dass ich dachte: Das könnte hier ein Paradies sein. Sie haben gutes Wetter, Meer, wunderschöne Mädchen. Verfluchte Scheiße, die besten Surfspots am ganzen Mittelmeer.
Dann sauste eine Katjuscha-Rakete vom obersten Stockwerk eines nie fertig gebauten Wohnblocks, der Schweif zischte wie eine Schlange. Sie verfehlte Tommy und mich, traf aber den Laster, der über Fletchers Bein rollte. Dann fing die Schießerei an, und plötzlich befanden wir uns mitten im Kugelhagel. Um nicht komplett auszuflippen, beschloss ich, Tommy zu retten. Eine einfache Anweisung an mein Gehirn, dank derer es mir gelang, Ordnung ins Chaos zu bringen. Ich warf meine Waffe und meinen Rucksack ab und hievte mir Corporal Fletcher auf die Schulter. Danach erinnere ich mich kaum an Einzelheiten der heroischen Rettungsaktion, erst wieder ans Krankenhaus. Als der Sanitäter Tommys Hose herunterschälte und sein Bein abfiel, nahm Tommy dies dank der Unmengen von Morphium in seinem Blutkreislauf gefasst auf und sagte: »Du liebe Güte, pass doch auf mit der Schere!«
Später wollte er, dass ich mich zu ihm aufs Bett setze und wir ein Foto von uns mit dem abgetrennten Bein in einem Sack quer auf unseren Knien schießen. Das ist das Bild, das ich mit seinen Kontaktdaten abgespeichert habe.
Ich drücke auf Anruf, und Tommy geht gleich beim ersten Klingeln dran, als hätte er nur
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