Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Titel: Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
Vom Netzwerk:
weiß.
    »Evelyn ist verschwunden?«
    Edit knetet erneut an ihrer Serviette. »Ja. Sie hatte Suchtprobleme wie ihre Mutter. Nach dem letzten Rückfall haben wir sie bei Betty Ford abgeliefert, aber du kennst ja Evelyn: Sperrt mich bloß nicht ein. Sie hat auf eigene Faust ausgecheckt, und jetzt haben wir sie seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen. Zur Beerdigung ihres Vaters ist sie auch nicht erschienen.«
    Sollte Edit einen mitleidigen Blick erwartet haben, so geht sie leer aus. Väter haben bei mir nicht das Ansehen, wie sie es in den Sitcoms der sechziger Jahre hatten. Hundert Prozent der Vaterfiguren in meinem Leben waren leibhaftige Teufel, immer besoffen und prügelnd.
    Edit merkt, dass der Druck auf die Tränendrüse keine Wirkung zeigt.
    »Klar hatten sie auch ihre Differenzen, aber Eve hat ihren Vater geliebt, und Patrick hat sie geliebt. Es ist eine Tragödie, dass sie vielleicht nicht mal weiß, dass er tot ist.«
    Sie weiß es, es sei denn, sie hat sich unter einem Stein verkrochen, aber selbst dann müsste sie’s mitbekommen haben, denn heutzutage sind die meisten Steine ans Netz angeschlossen. Als Paddy Costellos Herz schließlich unter dem Hammerschlag eines massiven Infarkts seine Tätigkeit einstellte, hatten die meisten Fernsehsender längst einen Nachruf vorbereitet. Big Paddy Costello, der letzte große Industriemagnat. Der Mann, der Amerika zu dem gemacht hat, was es ist – oder so ein Scheiß.
    Mein Großvater.
    In Irland verstehen wir viel von Männern, die Imperien bauen. Bei der Armee hab ich ein paar davon kennengelernt. Ich denke, wenn ein Mann es ernst damit meint, dann muss sich sein komplettes Leben einzig und allein darauf konzentrieren, alles in Schutt und Asche zu legen, das ihn davon ablenken könnte. Konkurrenten beispielsweise. Oder seine Familie.
    »Ich dachte, vielleicht hat sie Kontakt zu dir aufgenommen, Daniel. Ihr standet euch doch nahe, oder? Sie hat von dir gesprochen.«
    Das stimmt. Wir standen uns nahe, auch wenn sie vielleicht nur ein Dutzend Mal bei uns übernachtet hat. Evelyn hatte Pfiff. Als ich vierzehn und sie sechzehn war, kam sie eines Abends nach einem Fummeldate nach Hause und hielt mir einen strengen Vortrag darüber, wie man die Titten eines Mädchens richtig begrapscht. So was vergisst ein Junge nicht. Niemals.
    »Ja, wir standen uns nahe. Evelyn war wie eine große Schwester für mich.«
    Edit nickt. »Eben. Das hat sie gesagt. Dannys große Schwester, sie hat auf dich aufgepasst. Deshalb dachte ich, du hast vielleicht was gehört …«
    Edit Costello senkt den Blick. Sie musste im Leben so viele Enttäuschungen hinnehmen, dass sie sich jetzt gegen diese wappnet. Ich bin nicht gerne der Überbringer schlechter Nachrichten, aber …
    »Nein, tut mir leid, Edit. Ich habe seit zwanzig Jahren nicht mehr mit Evelyn gesprochen. Sie hat mir ein paarmal geschrieben, als ich in der Armee war, aber das war nur Small Talk. Vor ein paar Jahren hab ich gehört, dass sie in der Betty-Ford-Klinik ist, und hab ihr eine Karte geschickt. Aber ich habe keine Ahnung, wo sie jetzt steckt.«
    Edit setzt sich auf, um nicht zusammenzusacken. »Natürlich. Woher auch? Dann kann ich zumindest die Privatdetektive zurückpfeifen.«
    »Ja. Die konnten ihren Aufenthaltsort ja offensichtlich nicht mal auf einen Kontinent eingrenzen.«
    Wir grinsen, aber ich bin gestresst, und sie ist enttäuscht, deshalb lassen wir den Raum nicht gerade vor Helligkeit erstrahlen.
    Edit fährt mit dem Finger an ihrem Glas entlang. »Mister McEvoy. Daniel. Vielleicht kannst du mich anrufen, wenn sich Evelyn bei dir meldet. Sie muss sich nicht mit mir treffen, wenn sie nicht will, ich würde nur gerne wissen, ob es ihr gutgeht. Wenn sie Geld braucht, es ist genug für sie da.« Edit senkt die Lider auf halbe Höhe, als würde sie Berge aus Gold vor sich sehen. »Ich meine, mehr als genug.«
    Einerseits hoffe ich, dass der Satz noch weitergeht – zum Beispiel mit: Für dich ist auch mehr als genug da, aber meine Stiefoma hat bereits ausgeredet.
    Ich nehme die Karte, die sie Gott-weiß-wo herausfischt, dann sehe ich, dass sie ein kleines Reißverschlusstäschchen an ihrem Schweißband hat. Ich wusste nicht, dass es so was gibt. Praktisch.
    »Na klar. Ich rufe an. Aber nach all den Jahren …«
    Edit ist so schlank, dass sie aufsteht, ohne den Stuhl zurückzuschieben.
    »Ich weiß. War nur ein Versuch. Manchmal zahlt sich das aus.«
    Ich sehe ihr in die Augen, und sie hat diesen verzweifelten

Weitere Kostenlose Bücher