Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
an sein Lachen, mit seinen schiefen Zähnen hatte er was von einem alten Matrosen, aber seine Augen sehe ich nicht mehr vor mir.
Ich schniefe und denke Edit. Sie hat mich ganz rührselig gemacht, wo ich doch eigentlich hellwach sein sollte.
Jetzt spricht mich der Taxifahrer an.
»Hey, Freundchen. Heulst du da hinten?«
Ich reiße mich zusammen. »Für dich immer noch ›Mister mit den vier Knarren‹. Sind wir schon da?«
Der Fahrer tippt an sein Fenster. »Schon seit zehn Minuten. Hast du Flashbacks oder so? Bist du einer von diesen durchgedrehten Vietnamveteranen?«
Flashbacks aus Vietnam? Für wie alt hält der mich?
Vietnam klingt fast schon malerisch. Heute geht es um andere Flashbacks, um Erinnerungen an Desert Storm. Diese Veteranen sind ja so selbstgefällig, aber wenn die posttraumatischen Belastungsstörungen bei den Jungs aus dem Irak erst mal ordentlich einsetzen, wird ihnen das Grinsen schon vergehen.
»Keine Sorge. Wenn ich dich erschieße, dann mit voller Absicht.«
»Gut zu wissen«, sagt der Taxifahrer, dessen große Klappe sich urplötzlich verflüchtigt.
»Das macht fünfundzwanzig fünfzig, alter Freund.«
Ansatzweise kann ich den Mann jetzt leiden, also gebe ich ihm fünfzig Dollar, weil ich ja auch gar nicht weiß, ob ich lebend aus dem Hotel komme, und mir die Vorstellung nicht gefällt, dass die Drecksäcke drinnen meine Brieftasche plündern.
»Danke, Mann«, sagt der Fahrer. »Soll ich warten?«
Ich rutsche zur Gehwegseite rüber. »Kannst du, aber nachher gibt’s kein Trinkgeld mehr.«
Der Wagen fährt an, bevor meine Finger sich vom Türgriff lösen.
New York, New York, die Stadt, in der es völlig okay ist, ein Arschloch zu sein, Hauptsache, ein einheimisches.
Dan McEvoys Türstehertheorie Nummer drei: New Yorker sind felsenfest der Überzeugung, dass jeder Ort, der nicht New York ist, per geographischer Definition der großen Fünf-Bezirke-Nation unterlegen ist. In der Bronx gibt es besseren Fisch als an der Côte d’Azur. Die Strände von Staten Island sind denen in Rio de Janeiro weit überlegen, und auf dem ganzen Planeten findet sich keine Einkaufsstraße, die auch nur annähernd mit der Fifth Avenue in Manhattan mithalten kann. Deshalb verreisen die meisten New Yorker auch nicht – warum zum Teufel sollten sie? Und diejenigen, die sich doch einmal in die unendlichen Weiten des Mittelmaßes begeben, sind Geschäftsleute oder Intellektuelle, die in der Regel keinen Ärger machen. Außer den Typen aus dem East Village. Diese Künstler sind schon so dermaßen lange PC , dass sie beim Anblick eines Dekolletés ausflippen. Jason und ich behalten jeden Pferdeschwanzträger genauestens im Auge. Diese Wichser bringen es fertig, einer Kellnerin an die Titten zu grapschen und hinterher zu behaupten, sie hätten sie aus ihrer Unterdrückung befreit.
Ziemlich offensichtlich, dass Jason und ich jede Menge Zeit totzuschlagen hatten, als wir im Slotz an der Tür standen. Und irgendwann hat man dann auch genug Bauchbeugen gemacht.
KAPITEL FÜNF
Draußen auf der Straße fühle ich mich schutzlos ausgeliefert. Auch hier sind noch jede Menge Passanten zu Fuß unterwegs, andererseits aber nicht so viele, dass mir ein Scharfschütze keine Kugel in den Kopf jagen könnte. Problemlos ließe sich mir von einem Dach aus der Schädel wegblasen. Die Leute hier sind anders, anspruchsvoller, weniger Turnschuhe, und selbst das Licht scheint hier indirekter – irgendwie nicht so grell, im Einklang mit der dezenten Mode der hier in SoHo Ansässigen.
Früher bin ich durch dieses Viertel gelaufen und habe mich souverän und geerdet gefühlt. Jetzt würde ich zwei Jahre meines Lebens dafür geben, einfach nur ein Typ zu sein, der in versteckten Läden nach trendigen Klamotten sucht.
Am besten, denke ich, schiebe ich meine stämmige Statur jetzt ins Masterpiece.
Ganz schön bombastischer Name für ein Boutique-Hotel: The Masterpiece. Aber da ich früher öfter hier war, weiß ich zufällig, dass es der Spitzname ist, den die Einheimischen dem Gebäude wegen seiner schmiedeeisern verzierten Fassade gaben.
The Masterpiece. Vor ein paar Jahren war ich hier mit Zeb während der New York Fashion Week, Zeb war im Botox-Außendienst, und ich habe für ihn aufs Geld aufgepasst. Plötzlich kommt diese umwerfende – und ganz ehrlich, absolut außerhalb meiner Liga spielende – Señorita in der Bar auf mich zu und hängt zwei Lemon Gingertinis später an mir wie Frischhaltefolie am Frankfurter
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