Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
Bedrohliches aus, das vor allem in Postämtern und Hotels von großem Nutzen sein kann. Überall dort, wo Menschen für etwas verantwortlich sind. Sie werfen einen einzigen Blick auf Ronelle Deacons entschlossenen Gesichtsausdruck und denken: Bitte nicht, bitte, lieber Gott, lass diesen Kelch an mir vorübergehen.
Ronnie schreitet schnurstracks auf den Empfang zu, schnippt mit dem Finger in Richtung der Lady, die sich hinter ihrem Bildschirm versteckt.
»Hey, hey, Schätzchen«, sagt sie. »Hol mir Edit Costello ans Telefon.«
Die Lady versucht der Form halber, die Datenschutzrichtlinien des Hotels einzuhalten.
»Miss Vikander Costello möchte nicht gestört werden. Sie hat entsprechende Anweisungen gegeben.«
Ronnie lässt ihr Dienstabzeichen aufblitzen. »Siehst du das, Schätzchen? Das hier setzt sämtliche Anweisungen so was von außer Kraft. Das Ding macht Kleinholz draus, stinkenden Kackbrei, der …«
»Schon gut, Officer«, sagt die Lady, da sie völlig zu Recht davon ausgeht, dass Ronnie ihr Vorhaben so lange wie nötig in den drastischsten Farben schildern wird. »Ich rufe ja schon an. Sehen Sie, ich wähle.«
Edit meldet sich am Telefon, und die Concierge spricht zu ihr in dem enthusiastischen, aber ehrfürchtigen Ton, der reichen Leuten das Gefühl gibt, es sei völlig in Ordnung, sich bedienen zu lassen, dann gibt sie den Hörer an Ronnie weiter.
»Miss Vikander Costello hat sich freundlicherweise bereit erklärt, Sie anzuhören.«
Ronnie nimmt das Telefon und zwinkert mir zu. Aber es ist kein freundliches Zwinkern. Es soll sagen: Schau, wie gewieft ich bin. Jetzt halt schön die Klappe und lass mich machen.
Okay. Lass mich machen ist vielleicht ein kleines bisschen übertrieben, aber seit der Begegnung mit dem Koreaner hat meine Urteilskraft gelitten.
Ronnie klemmt sich den Hörer ans Ohr und macht ein trauriges Gesicht.
»Ja, Mrs Costello, vielen Dank, dass Sie bereit sind, mit mir zu sprechen.«
Vielen Dank?
Das ist nicht die Ronelle, die ich kenne. Sie spielt ein Spiel.
»Mein Name ist Lieutenant Deacon von der Jersey State Police. Wir haben einen Ihrer Angehörigen unten am Hafen gefunden. Laut Ausweis in seiner Brieftasche handelt es sich um einen gewissen Daniel McEvoy, und ob Sie’s glauben oder nicht, Sie sind die nächste Verwandte dieses Pen… äh, Mannes. Ich habe mich gefragt, ob mein Kollege und ich nach oben kommen und mit Ihnen darüber sprechen dürfen. Es wird nicht länger als eine Minute dauern, dann lassen wir Sie wieder in Ruhe.« Ronnie nickt zwei Sekunden lang, dann lächelt sie ihr gefährliches, schönes Lächeln. »Vielen, vielen Dank, Mrs Costello. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen.«
Sie legt auf und zeigt mit einem steifen Finger auf mich. Vielleicht erwartet sie, dass ich daran lutsche. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Anscheinend kann ich Gesten nicht mehr deuten.
»Okay, Kollege. Wir sind drin. Das Reden überlässt du mir, ich will keinen Mucks von dir hören.«
Jetzt bin ich froh, dass ich nicht an ihrem Finger gelutscht habe. Wahrscheinlich wäre das falsch gewesen.
Jemand, der nicht Edit ist, öffnet die Tür, was gut für mich ist, da ich so ins Apartment gelange. Der Türöffner ist ein durchtrainierter Mittdreißiger in kurzer Hose, der Name Pablo kommt mir spontan in den Sinn. Vielleicht gönnt sich Edit noch eine Runde Sport, bevor sie sich um die Tagesgeschäfte kümmert.
Ronnie raubt ihm brüsk die Männlichkeit.
»Wir führen vertrauliche polizeiliche Ermittlungen, Sir«, sagt sie. »Ich möchte, dass Sie mich zu Mrs Costello bringen und dann draußen bleiben. Wenn ich will, dass Sie mir die Arschbacken massieren, pfeife ich Sie rein, verstanden?«
Der Mann trägt ein Buddha-T-Shirt und ein paar Freundschaftsbändchen, deshalb vermute ich, dass er es nicht gewohnt ist, solch negative Schwingungen in sein persönliches Umfeld einbrechen zu sehen. An seinem Blick erkenne ich, dass er Anlauf nimmt, um Ronnie eine Weisheit aus seinem bioenergetisch und durch Rücksprache mit dem Universum gewonnenen Fundus zu verkünden, was ihn durchaus ins Krankenhaus bringen könnte, also greife ich ein.
»Pablo hat kein Problem damit, oder, Pablo? Du bist ganz gelassen, hab ich recht?«
Pablo zwinkert. »Ja, natürlich. Miss Edit wartet in ihrem Büro. Hier entlang.«
»Am Gorilla vorbei«, sage ich. »Ich kenne den Weg.«
Edit hat sich denselben verzweifelt hoffnungsfrohen Ausdruck ins Gesicht genagelt,
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