Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
still und höre mir die Vincent-Price-Stelle an, die ich immer gemocht habe, und dann merke ich, dass aus den Lautsprechern gar keine Musik kommt – es gibt gar keine Lautsprecher.
Ich muss mich pronto am Riemen reißen.
Ich stopfe den Großteil meiner nassen Klamotten in den Müll, nur Stiefel und Jacke packe ich ein.
Vor dem Klo steht ein alter Asiate mit einem Becher, also werfe ich fünf Dollar rein, weil ich denke, dass ich ein bisschen gutes Karma gebrauchen kann, aber der Mann sagt:
»Fick dich, du Glatzkopf. Ich warte drauf, dass das Klo endlich frei wird.«
Mist. Anscheinend mache ich heute aber auch gar nichts richtig.
»Tut mir leid, Mann. Ich dachte, du könntest ein paar Dollar gebrauchen.«
»Weil ich Koreaner bin?«
Ich bin zu müde für so was und wage nicht, mich zu verteidigen, aus Angst, Streit vom Zaun zu brechen.
»Ich entschuldige mich, okay? Ach, egal. Geben Sie mir doch einfach die fünf Dollar zurück oder behalten Sie sie, wie Sie wollen. Nichts für ungut. Annyeonghi gyeseyo.«
Der Alte zeigt sich von meinem Umgang mit seiner gesungenen Sprache unbeeindruckt.
»Hör auf, du Glatzkopf. Das tut einem ja in der Rübe weh.«
Aus irgendeinem Grund bringt mich der Wortwechsel mit dem Koreaner an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Einerseits liegt es wohl an der Willkürlichkeit, eigentlich gibt es doch gar keinen Anlass zu streiten – andererseits setzt mir der Glatzkopf zu. Schon wahr, meine Stirn ist so groß wie die neue Startbahn am JFK , aber dank Zebs chirurgischer Begabung ist die kahle Stelle verschwunden, und ich hatte geglaubt, meine Kopfbehaarung böte keine solche Angriffsfläche mehr. Der vor dem Klo mit einem leeren Becher wartende alte Wichser hat mich jetzt schon zweimal beleidigt. Würde es Jesus wirklich so große Umstände machen, ab und zu mal ein paar anständige Menschen in meine Richtung zu schicken? Ich weiß, dass es welche gibt. Jason gehört dazu. Evelyn auch, jedenfalls unter all ihrem Suff.
Ja, und von Edit hast du das auch geglaubt. Weißt du noch?
Ich würde am liebsten ausfallend werden, wie meine betrunkene Tante. Ich möchte mit den Zähnen knirschen und die Wand niederboxen, aber ich tu’s nicht, und die Anstrengung, die es mich kostet, mich im Zaum zu halten, lässt mich am ganzen Körper zittern. Einen Augenblick denke ich, dass ich möglicherweise gerade einen Herzinfarkt erleide, aber dann verstreicht der Moment, und stattdessen klappe ich auf dem Stuhl neben dem Koreaner zusammen.
Er legt mir einen dürren Arm auf die Schulter und sagt: »Mein Sohn.«
Und ich denke: Wow. Wird der Mann jetzt unerwartet in sein eigenes Stereotyp verfallen und mir eine ganz besondere Lebensweisheit präsentieren?
» Ich hab noch nie jemanden nach dem Scheißen so zittern sehen wie Sie.« Er tätschelt mir den Rücken. »Muss ja ein Wahnsinnshaufen gewesen sein. Völlig ausgehöhlt sind Sie jetzt. Vielleicht warte ich lieber noch ein paar Minuten, bis die Belüftungsanlage ihre Arbeit erledigt hat.«
Schlau, aber nicht weise. Ich nehme meine fünf Dollar aus seinem Becher und gehe raus, zurück in mein Leben.
Aufgrund der urbanen Topographie zieht sich die Dämmerung am Morgen in Manhattan ein kleines bisschen in die Länge, und das wenige Licht, das schließlich doch durchdringt, wirkt kraftlos und grau.
Ja, ich weiß. Sie denken, ich sollte mich vielleicht lieber auf die anstehenden Probleme konzentrieren, als mich der Betrachtung frühmorgendlicher Lichtverhältnisse zu verschreiben.
Das Broadway Park House befindet sich genau da, wo ich es vergangene Nacht zuletzt gesehen habe, das Prunkstück alten Geldadels wacht über den Central Park. Ronelle fährt zügig mit dem Lincoln vor, lässt den Vorderreifen unsanft an den Bordstein knallen, damit die Türsteher wissen, wer hier das Sagen hat, noch bevor sie überhaupt aus dem Fahrzeug steigt.
Die erfahrenen Mitarbeiter verstehen die Botschaft und halten sich zurück, aber ein junger aufstrebender Kollege stört sich an der Entehrung des Broadway Park und kommt angeflitzt.
»Gestatten Sie, dass ich für Sie parke, Ma’am?«, fragt er und spricht das Ma’am aus, als hätten seine Vorväter Plantagen im Süden besessen.
Ronnie würdigt ihn keines Blickes. »Du fasst meinen Wagen nicht an, Kleiner. Und wenn es jemand anders tut, mache ich dich dafür verantwortlich. Verstanden?«
Der Junge mag geantwortet haben, aber wir sind längst durch die Tür im Gebäude verschwunden.
Ronnie strahlt etwas
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