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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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an, Ferda schob seine schweißnassen Hände unter die
     Oberschenkel und wagte es, hinunterzuschauen auf die Teiche des Stadtwäldchens, doch ihn erfaßte gleich ein starker Schwindel:
     Es war ein Segen, daß der Einweiser die Gondel hielt, um ihn beim Aussteigen zu stützen, die Anbeter taumelten auf ihn zu,
     ihre noch vor kurzem zornesroten Gesichter bleich und ohne Würde.
    Sie keuchten und lehnten Ferdas Angebot ab, am Getränkeausschank einen Kaffee zu trinken, sie waren nicht zum Vergnügen hier,
     sie waren auch nur mit dem verdammten Riesenrad gefahren, um Zeugen seines Gondelsturzes zu sein, denn diese Mannestat hätte
     ihn, in Kristofers Augen, erhoben … Der Adjutant schnitt ihm das Wort ab und fragte Ferda, wobei sie ihm helfen konnten, und
     er sagte: Ich bitte um die Schonung von Eszter, der Rosenstreuerin, helfen Sie mir dabei. Sie streut höchstens Dungfladen,
     zischte Kristofer, sie zieht die Maden aus dem Speck und verstreut sie … Nun war es an dem Adjutanten, Bestürzung über den
     nicht erfolgten Sturz aus der Gondel zu heucheln, und vielleicht hätte er sich auf Ferda gestürzt, wäre nicht jene Frau gekommen
     und hätte die drei Halstätowierten mit ruhiger Stimme gebeten, sofort das Gelände zu verlassen. Wenn sie zur Seite blickten,
     würden sie die Männer sehen, die sie benachrichtigt hätte, und tatsächlich eilten fünf Männer auf sie zu und begleiteten sie
     bis zum Drehkreuz am Ausgang. Ferda verstand kein Wort, seltsamerweise gab Kristofer die Unterhaltung wieder, Ferda spuckte
     daraufhin auf zwei Finger und begann, das Zeichen abzureiben. Sie sind keiner von uns, sagte der Adjutant, und Sie werden
     trotzdem zur unerwünschten Person erklärt – ist das nicht lustig?
    Ein Kieselstein traf ihn genau in diesem Augenblick amKopf, und er starrte haßerfüllt auf die Frau, die den ersten Stein geworfen hatte, und schon kamen andere Steine geflogen,
     die beiden echten und der falsche Anbeter rannten los. Ein Friedensschluß war nicht möglich. Ihr Meister würde auf kein Angebot
     eingehen, auf keinen Schandfrieden: Anprall, Schlag Stoß Streich, Säuberung, das waren die Etappen, und dies war nicht der
     übliche Hader, also orderte der Adjutant Verstärkung an, man würde sich an der Anonymusstatue im Park treffen, der Statue
     des mittelalterlichen Chronisten, die Inschrift am Denkmalsockel lautete: Der Schreiber des glorreichsten Königs Bela, und
     so wie die Kapuze das Gesicht der Figur in tiefes Dunkel tauchte, so verfinsterte auch die Haßlust die Angesichter der Anbeter,
     nur wenig Zeit blieb ihnen, sie würden zu zehnt den Jahrmarkt stürmen, sie würden hiernach anderen Geschäften ihres Krieges
     nachgehen.
    Ferda hatte sich von ihnen abgesetzt, und da an seinem Hals nicht mehr das Zeichen prangte, hielten die echten Ungarn ihn
     nur noch für einen Mann, den man ohne Gefahr im Vorbeigehen anrempeln konnte. Sein Entschluß stand fest. Vorhin war er auf
     dem Weg zum Riesenrad am Spiegellabyrinth stehengeblieben und hatte die vielen Handabdrücke an den Glasscheiben bemerkt, es
     stieß sich deshalb keiner den Kopf an – weswegen? Wegen der Glaskörpertrübung. Die Scheiben waren nunmehr Wegmarken. In den
     wenigen Minuten der Todesangst in der Gondel beschloß er, auf eine Donaudampferfahrt zu verzichten, er würde nicht im großen
     Einkaufskomplex Westend am Westbahnhof nach billigen Textilien suchen, und er würde auch nicht in einer der Cocktailbars am
     Oktogon, einem Knotenpunkt des Nachtlebens, so lange trinken, bis ihm der Kopf dröhnte. Er vermißte den deutschen Herbst,
     noch aber war Sommer, und also entschied er, eine weitere Reise zu unternehmen, und weil ihn der Versuch, die Liebe endlich
     endlich zu vergessen, in Anspruch nahm, bemerkte er auch nicht jene ihm bekannte Frau, dieer in ihrer Verkleidung und mit der dunkelblonden Perücke auch hätte schwer wiedererkennen können.
     
    Ihr Weg führte sie über die Brücken, die Arpadbrücke, die Margitbrücke, die Ketten-und Elisabethbrücke, sie wechselte in den
     letzten Stunden ihres Lebens von einem Ufer zum anderen, Danubia, Donau, Duna, das Wasser floß einfach dahin, und ob man es
     belegte mit einem Namen oder ob es einfach floß und strömte, ihr Feuer würde dies Wasser löschen, Donau Duna, was hast du
     nicht alles auf deinen Grund gespült, und sie schüttelte sich, weil sie anfing, aus dem Kummer einer bald Entseelten Stadt
     Land Fluß in Gedanken anzusprechen, und also dachte sie an

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