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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Treffen wir uns bei den gerafften Vorhängen, deren Säume zernagt und zerschlissen sind. Ich wußte, welches Wirtshaus auf der
     Raday er meinte, und wir trafen uns dort, im hinteren Teil des Eßraums. Man hatte aber die Vorhänge entfernt, sie schreckten
     die Touristen davon ab, in diesem Lokal ihr Geld auszugeben … Hörst du mich? … Ja … Dann werde ich einfach weitererzählen.
     Dieser Mann war lange vor mir gekommen, er glaubte, es gehörte sich so, er kam also ohne weibliche Begleitung, und die Tochter
     der Wirtin hatte ihn sich als Liebhaber ausgesucht. Sie flirtete mit ihm. Und ich platzte hinein, in diese unmöglichen Augenblicke
     der Anbahnung, ich brachte meinen Augenblick mit,sie waren in einem anderen Augenblick. Sollte ich lieber gehen? Sollte ich ihn verlassen, denn er und ich waren mehr als
     nur gut befreundet. Unverheiratete lieben besser, das ist einer meiner wenigen Gewißheiten. Ich blieb. Die junge Frau bediente
     mich nicht und wurde wütend, als ein Kellner mir Wein und Wasser brachte. Dieser Mann, mein damaliger Liebhaber, wollte sich
     mit Absinth betrinken, doch es gab in dem Lokal keinen Absinth, also betrank er sich mit Schnaps. Dann bot er mir die Trennung
     an. Du hast richtig verstanden, er tat so, als wären wir verheiratet, und er sprach also von der Möglichkeit, von der starken
     Wahrscheinlichkeit, daß nach diesem Treffen jeder von uns seiner Wege ging. Ich habe nur gesagt: Ist gut, ich bin aber sitzen
     geblieben. Trotz der verliebten Tochter der Wirtin. Trotz der lauten Männer am Nebentisch. Und obwohl mir der Wein nicht schmeckte
     und obwohl dieser Mann an meinem Tisch mit mir spielte, bin ich nicht hinausgestürmt. Wir hielten noch einige Monate an unserem
     komischen Verhältnis fest. Er starb nicht, er verliebte sich in keine andere, er wartete, daß ich den ersten Schritt tat.
     Ich tat ihn, den ersten Schritt. War nicht froh. War nicht traurig. Hörst du mich?
    Nein, er hörte sie nicht, denn er war eingeschlafen. Aus Gewohnheit trat sie ans Fenster und sah unten die Zigeunermänner
     mit den Fingern knacken, natürlich kannte man sie in diesem Hotel, und bestimmt hatte man die Richtigen verständigt. Die Richtigen
     vertrauten nur ihrer Sippe und der Frau, die ihre Wege mit Rosen bestreute, sie wußten, die Falschen würden sie bald aufspüren.
     Eszter verschloß leise das Fenster, fuhr mit dem Aufzug ins Foyer, sprach die Rezeptionistin an und dankte ihr für die Gastfreundschaft.
     Man sollte wissen, daß sie das Hotel verließ, es durfte kein Anbeter den Schlaf des Deutschen stören. Bis zum Zwielicht ein
     guter Traum, dann wird ein böser Traum wahr.

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    An diesem Tag, dem achten achten, ließen sich viele Ungarn trauen, und den Beamten fiel es nicht ein, trotz der Aussicht auf
     einen langen Freitag böse zu werden, sie verbaten sich auch Spekulationen über die Haltbarkeit manch einer frisch geschlossenen
     Ehe. Es war richtig, es war ihretwegen auch heilig, und wenn der Standesbeamte Vilmos bei jeder Zeremonie lächelte, so aus
     Freude darüber, daß kein Mensch ihn zu enttarnen versuchte: Er würde lieber alle seine Handknöchel zerbeißen, als zu heiraten.
     Rechts hinten im Saal stand ein seltsam gekleideter Mann, er löste sich von der Wand, kam auf ihn zu und schüttelte ihm stumm
     die Hand, und Vilmos war kurz davor, ihn zu fragen, ob er zu denen gehörte, die an einem Freitag im August Glück suchten und
     fanden, doch dann fiel ihm die Halstätowierung auf, und er senkte schnell den Blick.
    Ferda hatte dafür gesorgt, daß Vilmos ab sofort nicht mehr lächeln würde, es ließ sich nicht vermeiden, Zsoltan war über seine
     Bitte erst ungehalten gewesen, um dann aber grinsend das Zeichen der Mumienklauenanbeter auf die Haut dieses gar nicht so
     dummen Deutschen zu zeichnen. Er trat ins Freie, und nach einem langen Spaziergang fühlte er sich lächerlich stark, jeder,
     der ihn mit einem Blick streifte, sprang ihm aus dem Weg, und daß er die Augen zukniff, weil ihn die Sonne blendete, machte
     ihn in den Augen der echten Ungarn zu einem ultraechten Ungarn – lächerlich, dachte er, natürlich, aber was soll ich machen,
     mein Telefon klingelt nicht, Eszter streut an geheimen Orten Rosen, und das Zimmermädchen, dem ich auf dem Flur begegnet bin,
     hat sich bei meinem Anblick bekreuzigt und ist in die Abstellkammer geflohen …
    Auf dem Heldenplatz sah er hoch oben auf einer Säule eine Figur im langen Gewand und mit

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