Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
Vom Netzwerk:
sahen aus wie hochkant gestellte Trampoline,
     und wäre ein Mann oder eine Frau auf die Terrasse getreten, ich hätte aus Übermut gewunken und ein Grußwort zugerufen. Statt
     dessen ging ich hinunter zum Schwimmbad, unterwegs verfehlte ich den richtigen Flur und fand mich wieder im Foyer, die Angestellten
     starrten mich an, starrten das Badetuch an, das ich um die Hüften geschlungen hatte, starrten mir böse auf die nackte Brust
     und die nackten Beine, ich kehrte um, schritt durch einen dunklen Flur, und kaum öffnete sich die pneumatische Tür zur Schwimmhalle,
     wies mich der Bademeister an, dieHausordnung für das Badezentrum auf dem großen Schild zu lesen.
    Es war untersagt, vom Rand in das große und in die kleinen Becken zu springen, Handtuchbenutzung war verbindlich, Kleinkinder
     hatten Schwimmringe zu tragen, und die erwachsenen Männer, sagte der Bademeister im gekünstelten Balkandeutsch, haben Damen
     mit Stringtangas nicht lüstern und unziemlich zu beglotzen. Sie sind ohne weibliche Begleitung angereist? … Ja … Sommeraffären
     müssen ausbleiben, fuhr er fort, wer hätte nicht Verständnis für den Zorn von Ehemännern auf Junggesellen? Wir haben vornehmlich
     Familien zu Gast, grundsätzlich ist aber jeder bei uns willkommen, der sich eincremt und in der Sonne liegt und den wir bei
     der Abreise nicht als Scheinfreund betrachten müssen … Ein schöner Empfang.
    Ich drehte ihm den Rücken zu und ließ den Blick schweifen, vielleicht sollte ich den Dingen mit Sanftmut begegnen, vielleicht
     war es natürlich, daß man jeden Neuankömmling über die Regeln aufklärte, und da aber fast alle Blicke auf mich gerichtet waren,
     sagte ich dem Bademeister, ich wäre ein wohlerzogener Mann, der beispielsweise erst duschen und dann in das Wasser steigen
     würde, und als ich, wie versprochen, unter der Dusche stand, spähte er mit spitzem Mund in meine Richtung, tatsächlich schaute
     er auf das von meinem Körper abfließende Duschwasser. Er war beunruhigt, ich stieß gegen ein gelbes Klappschild, das man zur
     Warnung vor Rutschgefahr aufgestellt hatte, dann stieg ich vorsichtig in das große Becken. Ein kleines Kind setzte zum Flohsprung
     an und wurde aber gerade noch von der Mutter zurückgehalten, und da ich sie anlächelte, kam ihr Mann herbei, ich holte tief
     Luft und tauchte unter. Später saß ich im Aromaraum in den Heilkrautschwaden, ich wechselte über in den Salzraum und starrte
     auf den weißen Krustenbelag der Wände, und als ich zwei Frauen draußen bemerkte, überließ ich ihnen meinenPlatz, schließlich ging ich rundherum über Steine im kniehohen Wasser, ich hielt mich an der Haltestange in der Mitte des
     kleinen Beckens fest.
    Hat man Sie auch zum Scheinfreund erklärt? sagte jemand hinter mir, nach einer halben Umdrehung um die Stange sah ich ihn,
     er rieb lächelnd seine Fußsohle über einen kantigen Stein, seine Badehose reichte ihm bis zu den Waden, bestimmt hatte man
     ihr wegen einer Unschicklichkeit einen Verweis ausgesprochen. Das erste, worüber man mich aufgeklärt hat, fuhr er fort, war
     der Hinweis auf die Damen in festen Verhältnissen. Ich bin zwar kein Kenner dieses Landes, aber es kommt mir nicht typisch
     ungarisch vor – der Ungar ist ja im allgemeinen ungezwungener. Was hat sie hierherverschlagen? … Weiß ich nicht genau, sagte
     ich. Sonnen Sie sich am besten am Seeufer, sagte er, auch dort streifen einige Hotelangestellte herum, aber wenn Sie nicht
     gerade eine Dame mit Blicken belästigen, wird man Sie auch nicht nach Ihrem Ehestand fragen. Ich gehe mal lieber, sonst verbreiten
     die Frauen in der Salzzelle Gerüchte über uns, und wir sind dann endgültig erledigt …
    Eine halbe Stunde lang schritt ich auf den Steinen, es wollte sich währenddessen kein Ungar zu mir gesellen, etwas später
     lag ich auf der Sonnenliege am See, überall auf dem Rasenstreifen Liegen, und auf den Liegen wissende Männer, man hatte jedem
     von uns eine Schlinge gelegt, ein Blick zur Seite und des Nächsten Weib ward begehrt, den Familienvätern schien es schwerer
     zu fallen, in Würde sich aufzurichten, in Würde zum Kind zu schreiten, das Schilfrohre brach und in Sandbuckel steckte, eine
     Spanierin ging mit einem Rückenkratzer aus Holz über die Schultern ihres Mannes, sie riefen mittendrin nach der Tochter, und
     da sie aber nicht aus dem Schilfrohrdickicht heraustrat, lief der Mann über den kurzen Sandstrand, seine verhornten Fersen
     hinterließen tiefe

Weitere Kostenlose Bücher