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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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fotografiert, als du ein Loch in das Geschäft
     gehämmert hast, du hast den Tresor mit dem Trennschleifer geknackt, den ich dir besorgt hatte. Ich weiß immer, worauf ich
     mich einlasse, ich rede jetzt frei, weil ich nicht annehme, daß es sich bei der Dame in deiner Gesellschaft um eine Polizistin
     handelt, sie sieht mir auch nicht aus wie eine Denunziantin. Ich habe meinen Teil der Beute bekommen. Danke, ja. Ich bin für
     einige Monate aus der Stadt verschwunden. Danke, ja. Ich halte meinen Hinterhof sauber, das ist die Regel.
    Der Fotograf? Er wohl auch, er hat dich ganz sicher nicht verpfeifen wollen, aber er hat geschwätzt, er hat mit seiner Kunst
     angegeben, es ging ja um zwei Schnipsel seiner Seele, um zwei Fotos, die er herumgehen ließ. Vorher, nachher. Vorher, das
     warst du, wie du dich durch das Loch gezwängt hast. Nachher, das warst du auf der Flucht. Das konnte nur bei den Häschern
     landen, das Ereignis des Fotografen, der die beiden Fotos als Ereignis feierte, und man hört ja von jungen Leuten in abgerissenen
     Kleidern, die wie Chaoten aussehen, dabei sind sie Schnüffler, und ich glaube, so ein Schnüffler ist damals schnurstracks
     zu den Häschern gegangen und hat berichtet. So kam das eine zum anderen. Du hattest nicht einmal die Zeit, den schönen Schmuck
     zu veräußern, auch wenn die Höker der Stadt die Ohren spitzten, die Häscher habendich abgegriffen, davor aber bekam ich meinen Teil der Beute. Danke, ja. Auf die Dame ist bestimmt Verlaß, wenn sie diese
     Geschichte an eine passende, an eine zuständige Stelle weiterleitet, bin ich kein Scheinblinder unter Zweiäugigen mehr, das
     wäre sehr schade.
    Der Fotograf? Ich kehrte zurück, ich traf ihn, ich ließ es wie einen Zufall aussehen, aber ich traf ihn. Nicht gut. Er aß
     ein Kaninchen in Mandelsoße, biß in eine Schrotkugel und verlor einen Zahn, das war also kein Stallkarnickel – was ist ein
     Stallkarnickel wert, wenn man einen Zahn verliert? Was ist man als Mann noch wert, wenn man nicht daran interessiert ist,
     sich den Milchkaffeeschnurbart abzuwischen. Sie bezähmen uns alle, vielleicht. Nicht gut, der Mann hat allen Mut verloren,
     der Mann hat sich wegschieben lassen: Keine Glut, kein Bekenntnis, kein Verlangen, nichts Außer- und Ungewöhnliches mehr.
     Er lebt noch. Der Ritter gefällt mir, danke, ja. Es ist keine Tragödie, sich nicht länger als Werkzeug der Vorsehung anzusehen,
     er hat in seinen besten Zeiten stark übertrieben. Heute lebt er irgendwo und steht irgendwann auf. An seiner Küchenwand hängen
     gewellte Fotos. Hab’ ich gehört. Von wem? Suche nach Schnipsel neunzehn. Kastanienallee. Eckkneipe.
    S-Bahnhof Eberswalder Straße. Ein Kellner, dick wie ein Haihappen: Dein Bruder hat nach dir gefragt, der Schein kommt von
     ihm, nein, von dem Händler, den du kennst: Nimm das Geld und werde glücklich.
     
    Vom U-Bahnhof Wittenbergplatz aus fuhren sie Richtung Pankow und stiegen in der Eberswalderstraße aus, sie erfuhren nach einem
     Blick auf die Anzeigetafel von dem Streik von Mitternacht bis zum frühen Nachmittag des übernächsten Tages, die U- und S-Bahnen
     und die Busse würden bald nicht mehr fahren.
    Er hatte sich keinen Plan zugelegt, und die nicht mehr ganzso fremde Frau an seiner Seite verwirrte ihn nur deshalb, weil sie auf die richtige Gelegenheit oder den rechten Moment wartete,
     um ihren Namen zu verraten. Über Fritz hatte sie gesagt: Man muß ihn eine halbe Stunde im heißen Badewannenwasser einweichen
     – er ist schon komisch, oder? Und als sie in die Bar eintraten, in die Bar mit dem Namen An einem Sonntag im August , eilte
     er aus Angst vor einer bösen Überraschung in die hinterste Ecke des schlauchartigen Raums, alle Tische waren besetzt, und
     hinten, ganz hinten im Fensterwinkel, sah er ein rotes und ein graublaues Sofa. Sie ließ sich auf das Sofa mit der leicht
     verschmutzten roten Husse fallen, und dann saß er da und starrte auf die jungen Frauen und Männer an den anderen Tischen,
     sie saßen mit langen Schals um den Hals und kalten Füßen unterm Tisch auf Sesseln, Sofas, Stühlen, sie waren nicht blind,
     sie waren glücklich. Er war erstaunt, man durfte trotz des Nichtrauchergesetzes rauchen, und also zog er eine Zigarette aus
     der Schachtel in seiner Manteltasche heraus und steckte sie sich an.
    Nach dem ersten Lungenzug hielt er inne, bot ihr eine Zigarette an, sie nahm dankbar eine aus der Schachtel und ließ sich
     sogar von ihm Feuer geben. Sie

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