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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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hatte dem Klempner und seinem Praktikanten, wie
     abgesprochen, mit dem Zweitschlüssel seine Wohnung aufgeschlossen, der Klempner hatte die Wasserhähne ausgewechselt und neue
     Absperrhähne für die Toilette,das Waschbecken, die Dusche und die Waschmaschine eingebaut. Doch dann passierte das Unglück, der Praktikant öffnete das
     Überlaufventil für den Boiler, das Wasser lief über den viel zu kurzen Hahn auf die Arbeitsplatte und den Boden, es gab eine
     Überschwemmung, sie kam gerade rein, um nachzusehen, weil sie den Handwerkern traute, aber nicht den Menschen. Und sie behielt
     recht, der Klempner und sein Praktikant wischten mit all den schönen teuren Badetüchern den Boden ab, sie schimpfte mit den
     beiden, sie schimpften zurück, und Gott sei Dank rückte zu ihrer Verstärkung Helen an, die Tochter des Fotografen. Der Praktikant,
     der dumme Junge, machte ihr gleich ein Kompliment, wofür es von seinem Meister eine Backpfeife setzte. Sie und Helen hätten
     hinter den Tolpatschen aufgeräumt, die Badetücher wären schon gewaschen und aufgehängt.
    Er bedankte sich bei ihr und stieg die Treppen hoch zum ersten Stock, seine Hand lag auf der Klinke, als sie die Tür aufriß
     und ihn hineinzog. Die Wäschespinne stand links neben dem Eingang seines Ateliers, und gleich auf der Schwelle hatte seine
     Tochter ihren Wochenendkoffer abgestellt, aus dessen Seitenschlitz ein Stück Stoff herausquoll. Natürlich würde er keine Überraschung
     heucheln, und natürlich würde er sie nicht auf die Blutkruste an ihrer Unterlippe ansprechen. Ihren gelbrot angemalten ehemaligen
     Bestattungswagen hatte er in der Seitenstraße entdeckt, vor der Hausruine, die abgerissen gehörte, die Fenster waren eingeschlagen,
     und Glaszacken hingen im Rahmen, und es hieß, nachts würden Ratten durch die Räume huschen. Auf irgendeine Überraschung war
     er gefaßt, vielleicht war sie schwanger, vielleicht hatte sie mit ihrer Mutter gebrochen, oder aber sie wollte sich von ihm
     Geld ausleihen, tausend Euro, für eine Reise nach Florenz, oder eher nach Madrid.
    Er war es, dachte er, er ist Spanier, er ist Gast in meinem Land, und er schlägt meine Tochter. Ein Klaps mit demHandrücken auf die Lippe. Er verletzt Helen mit den Knöcheln. Immer nur ein Hieb in der Woche. Regelmäßig. Zur Hölle mit
     dir. Du hast deine Beine unter meinen Tisch gestreckt, und ich mußte den aufgeklärten Vater spielen. Helen zuliebe. Die du
     einmal wöchentlich schlägst. Du hast meinen Wein getrunken, du saßest auf meiner Klobrille, du hast dir mit meiner Seife die
     Hände gewaschen. Ich lächelte dich an. Helen zuliebe. Die du mit einem einzigen Schlag ins Gesicht aus der Wohnung treibst.
     Sie flieht, obwohl sie die ganze Miete zahlt. Du kämmst dir die langen schwarzen Haare wie eine Frau, und auch meine Tochter
     hast du dazu gebracht, Olivenöl ins Haar zu kneten. Du wirst sie irgendwann verlassen, dir eine Kurzhaarfrisur schneiden lassen,
     nach Spanien zurückkehren, und dort, in den Kneipen, wirst du vor allem den Spanierinnen erzählen, wie kalt und neurotisch
     die deutschen Frauen sind.
    Er drehte sich um und achtete nicht auf den Bittruf seiner Tochter, er lief hinunter auf die Straße, zu seinem Wagen, er hielt
     an bei Rot und fuhr an bei Grün, an diesem Samstagmittag waren ungewöhnlich wenige Menschen unterwegs, und als er an der vorletzten
     Ampel wieder anhalten musste, heftete er den Blick an einen Fußgänger, der ihm vage bekannt vorkam, doch dann wurde er angehupt
     und mußte den Blick wieder von ihm lösen. Er parkte in zweiter Reihe, die zwanzig Minuten bis hierher hatte er starr auf die
     Insektenleichen auf der Windschutzscheibe geschaut, und der Spanier öffnete endlich die Tür, er umarmte ihn wie bei einer
     herzlichen Begrüßung und tanzte sich mit ihm hinein. Er löste den Anstecker vom Knopfloch seiner Lederjacke und stach ihm
     mit dem kurzen Dorn einmal in seinen Oberschenkel, der Stachel ging durch den Stoff und durch die Haut glatt durch, der Spanier
     schrie auf und fiel hin. Für jeden Schlag ein Stich, sagte er ruhig, ab heute wird es so laufen. Dann drehte er sich um und
     verließ die Wohnung, er fuhr zurück, parkte in der Seitenstraße,rieb sich das naßgeschwitzte Gesicht beim Gehen trocken, er hob den Blick.
    Franz, älter, zehn Kilo schwerer, stand mit einer Frau zusammen vor seinem Haus. Er trat näher und sagte: Ich glaube, ich
     habe vorhin deinen Bruder gesehen: Wie geht es dir? Und Franz

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