Hinterland
sagte: Pi mal Kongo, seine Worte ließen die Frau an seiner Seite
ihn erst ungläubig anstarren und dann auflachen, sie mußten schief grinsen, um nicht unhöflich zu wirken, obwohl ihnen beiden
in diesem Augenblick andere Gedanken durch den Kopf gingen. Er wägte kurz ab, ob er sie in seine Wohnung bitten wollte, Helen
war oben, und er konnte eigentlich nicht zulassen, daß sie Zeugin eines häßlichen Vorgangs wurde. Sein Gefühl sagte ihm gar
nichts, also ging er vor, sie folgten ihm schweigend, er ging durch die Räume, ihr Koffer lag noch auf der Schwelle, sie aber
war bestimmt zu ihrem Freund gefahren, der sich vor ihr bestimmt vor Schmerzen krümmte und ihren Vater auf spanisch verfluchte.
Als er zurückkam, standen die beiden in der Küche, Franz musterte die verblichenen Polaroidfotos am Kühlschrank, er schien
jemanden wiederzuerkennen, er trat vor und musterte den Jungen, den der Fotograf im Moment seines gewaltigen Jähzorns getroffen
hatte, der Junge zog eine finstere Miene, sein Gesicht war monströs verzerrt, es war der Moment kurz davor gewesen, kurz bevor
er mit der Bierflasche auf den Fotografen losging.
Ohne auf seine Aufforderung, sich hinzusetzen, einzugehen, fing Franz an, von einem Verrat zu erzählen, den man an ihm begangen
hätte, und fast wäre er versucht gewesen, ihn als den Verräter zu stellen, nicht sein Instinkt, aber die kluge Dame in seiner
Gesellschaft hätte ihn geleitet, sie hätte nämlich vorgeschlagen, den Fritz im Badewannenwasser einzuweichen, er mußte seither
immer an den Schmutz denken, der oben auf dem Wasser trieb, er kannte saubere Männer mit einer schmutzigen Seele, und er kannte
schmutzige Männermit einer sauberen Seele, das waren jedoch nur Knastbruderphantasien, und es käme nicht darauf an, eine Taschenlampe zu kaufen
und Chiffren auf Zetteln zu entziffern, man müßte nur versuchen, keine Fehlschlüsse zu ziehen. An dieser Stelle, wie um Franz
daran zu hindern, sich mit Nebensachen zu befassen, fiel ihm die Frau ins Wort und sagte: Er hat zu fest in die Kohlen geblasen,
da flog ihm die Asche in die Augen.
Der Fotograf verstand sie auf Anhieb, und er verstand auch, wieso jetzt die Tür aufging und seine Tochter mit einer Brötchentüte
in der Hand hereinkam, sie musterte die fremde Frau und den fremden Mann in der Küche, und da stand die fremde Frau auf, machte
zwei Schritte auf Helen zu, hielt ihr die Hand hin und sagte: Verzeihen Sie, daß wir unangemeldet erschienen sind, ich heiße
Jacinta, der Name leitet sich von Hyazinth ab, und er heißt Franz, soviel ich weiß sind dein … Vater und er miteinander bekannt.
Nun war es an dem Fotografen, die beiden Gäste, die sich nicht wirklich aufgedrängt hatten, zu einem späten Frühstück einzuladen,
und als Jacinta Aprikosenkonfitüre auf ihr ungebuttertes halbes Brötchen strich, erzählte Helen von dem Mann, dem sie auf
dem Weg zur Bäckerei begegnet war, er hatte seinem Jack-Russell-Terrier mit gestrecktem Zeigefinger nicht ›Sitz!‹, aber ›Gesäß
senken‹ befohlen, und wegen seines Ordnungsrufs hätte es einen Streit unter den dort versammelten Hundebesitzern gegeben.
Sie unterhielten sich über die Nebensachen der Wochentage, über die langen dunkelblauen Mäntel der Männer, über die Handtaschen
der Frauen, und als den Fotografen ein plötzlich aufkommender Unwille über eine Viertelstunde schweigen ließ, erstarb das
Gespräch, und doch machte Franz keine Anstalten, aufzubrechen.
Die beiden Männer standen auf und wechselten ins Nebenzimmer, der Fotograf zog einen alten Lederkoffer unter dem Bett hervor,
klappte den Deckel auf, griff hinein und übergab Franz eine gewöhnliche weiße Plastiktüte mit schweremInhalt. Nichts war angerührt oder versetzt worden, die Colliers, die Broschen, die Ringe, die Uhren, die Ketten. Die Trödelhändler
hatten monatelang umsonst gewartet, und der Hehler, der Franz einen Fünfzigeuroschein hatte zukommen lassen, war bei jedem
Läuten der Ladentürglocke fast von seinem Stuhl gekippt, denn die Regel lautete, daß jeder gescheite Dieb das Diebesgut einem
Kumpan übergab, für den Fall seiner Festnahme, das war ja in Franzens Fall eingetreten. Jeder Dieb mußte eine Risikostreuung
vornehmen, sprachen die Anfänger, sie wußten nichts und protzten nur, deshalb waren sie gefährlich. Der Kumpan von Franz hielt
sich bedeckt, er zog einen falschen Verdacht auf sich und täuschte nicht nur die Hehler, er
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