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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Tauben
     für Tauben und nicht für Vögel des Heiligen Geistes, die Auferstehung war nach seiner Meinung nur die Spukgeschichte von Spinnern,
     die es sich im Sarg gemütlich machen wollten bis zum großen Paukenschlag.
    Wäre also Franz nicht zur Seite gesprungen und hätte er nicht mit der Tasche ausgeholt, wäre dies alles passiert, und der
     Engel hätte ihm das zerrissene Band vom Nabel gezupft und ihn in der Kunst des leichten Aufstiegs unterwiesen. Der Hieb mit
     dem Knüppel ging ins Leere, und der unmaskierte Mann setzte nicht nach, sondern rannte einfach davon. Für einen Moment war
     Franz versucht, ihm hinterherzulaufen, aber zwei Dinge hielten ihn davon ab: Sein Knastbauch und der Blumenkasten, der vor
     ihm auf dem Bürgersteig barst. Dann hörte er sie seinen Namen rufen, und als er hochschaute, sah er Jacinta, sie lehnte sich
     weit aus dem Fenster und würde, wenn sie ihrer Aufregung nicht Herr wurde, herunterfallen. Er rief ihr zu, sie sollte reingehen
     und auf den Türsummer drücken.
    Wenig später saß er ihr gegenüber, trotz des Schrecks warsie in heiterer Stimmung, Gold stand ihr gut, und Franz war am Leben, der Blumenkasten schlug im richtigen Moment unten auf,
     ein falscher Schritt von Franz und sie hätte die Polizei benachrichtigen müssen. Mir fehlt nichts, sagte er, und auch der
     Schmuck ist noch komplett. Ich bin nicht wirklich dem Schlag ausgewichen, ich fing vor Freude an zu tänzeln, ich bin auf mein
     linkes Bein gehüpft, und der Kerl schlug auf die Stelle rechts, doch da war ich schon nicht mehr. Ich werde zur Legende, er
     wird wen auch immer anrufen und ihm von meinen Instinkten berichten, und den Mann am anderen Ende der Leitung wird es sehr
     beeindrucken. Wer hat den Schläger gedungen? Bist du müde, oder hast du Lust auf eine Belohnung? Was für eine Belohnung? sagte
     Jacinta, ich gehe heute nicht mehr aus dem Haus … Und er wünschte ihr einen schönen Abend und verließ die Wohnung, er hatte
     keinen Hunger mehr, er wollte weder eine Abrechnung noch eine Vergeltung, und nachdem er ziellos herumgewandert war, betrat
     er doch ein italienisches Restaurant und bestellte, ohne einen Blick auf die Speisekarte geworfen zu haben, Parmaschinken
     auf Honigmelone. Die Kellnerin setzte ihm einen großen Teller vor, die Parmaschinkenscheiben waren über Orangenschnitze gelegt
     worden, und daß sie sagte, die Orangen würden aufs Haus gehen, überzeugte ihn endgültig davon, daß dieser Sonntag kein verwerflicher,
     kein schlechter, aber ein ungewöhnlicher Sonntag war. Also aß er alles auf, bezahlte direkt an der Kasse und landete, über
     Wege und Umwege, bei dem Händler in einer Seitenstraße des Kurfürstendamms. Es wurde sichtbar.

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    Ein Engel? Herabregnender Staub? Ein Stümper, dem es nicht gelingt, einen Knüppel richtig einzusetzen? Die Suche des kleinen
     verliebten Bruders nach seinem großen Bruder und nach seiner eigenwilligen Freundin? Was gingen ihn alldiese Einzelheiten an, mit denen er aufgehört hatte, sich zu befassen, vor langer Zeit, na gut, vor gut einem Jahr, als sein
     ordentliches und ruhiges Leben doch zu ordentlich und ruhig geriet und er sich Hals über Kopf in die Nachbarin verliebte.
     Für sie war es nicht viel mehr als ein Partykuß gewesen. Längst vergessen.
    Jetzt aber erzählte Franz, der Entlassene, seine hübsche Geschichte, es war ihm anzusehen, er war froh, zwei Male einem Attentat
     entgangen zu sein. Diese fremde Frau an seiner Seite, diese Frau, von der alle Welt sprach, hatte wohl einen gewissen Einfluß
     auf ihn. Keine Spekulationen. Von Staub und irgendwelchen Engeln sprach er früher nicht, vielleicht lag es am Umgang mit rohen
     Kerlen im Knast, daß er ruhiger wirkte. Seine Hände zitterten leicht, bestimmt war es die Angst, einen dritten Anschlag nicht
     zu überleben. Endlich kam er zu einem Ende, und dann bat er ihn, ein grünes Filztuch auf dem Glastisch auszubreiten.
    Er hatte seinen Laden geschlossen, sie saßen im Hinterzimmer, und der Händler tat Franz den Gefallen, er war in Feierabendlaune.
     Und da funkelte das Gold. Er starrte darauf und sagte plötzlich aus einer Eingebung heraus eine Zahl. Franz zog die Stirn
     in Falten. Sie schwiegen einige Minuten, und der Händler nannte eine andere Zahl. Nach weiteren zehn Minuten drehte sich Franz
     um und wartete, bis der Händler das vereinbarte Geld in kleinen Scheinen aus seinem geheimen Fach geholt und auf den Goldschmuck
     gelegt hatte. Er steckte das

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