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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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aus,
     als wär’ er bei den Hunden glücklicher als bei uns.
    Es war Zeit, den Becher abzustellen, aufzustehen und ohne Gruß wegzugehen, ich tat es, ich störte mich nicht an der Anwesenheit
     des Hinkebeins und sagte Sandra, daß es keinenSinn hätte, weiterzumachen zu dritt statt zu zweit, einen zweiten Liebhaber, ob Mann, ob Frau, hielte ich nicht aus, ich
     wäre der Spießer aus dem Bilderbuch. Und alles Gute noch. Schon in meiner Abwendungsbewegung fing ich an, mich nach dem Blau
     umzuschauen, nach dem Blau der Flügeldecken des Eichelhähers.

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    Und der Staub fiel auf die vielen Hotelwerbekugelschreiber, die sie in den letzten Jahren gesammelt hatte, auf die Buntstifte,
     die Briefumschläge und die Karten, auf den Buchblock der Enzyklopädien, die aus dem zweiten Regalbrett von unten herausstanden,
     auf den Deckel des Aktenvernichters, den Schonbezug des Sessels, auf den neugepolsterten Sitz des Stuhls mit hoher Lehne,
     der Staub fiel auf die Stehlampe und die Schreibtischlampe, auf die grüne Geldbörse, die Telefonbücher vom letzten Jahr, auf
     die Dielen und die Dielenritzen des Holzfußbodens, auf die Kabel, die von der Musikanlage zur Mehrfachsteckdose führten, auf
     die nebeneinandergestellten Schuhe und Stiefel im Eingang, auf den Spiegelrahmen und das Faxgerät. Der Staub rieselte herab
     auf die rot-cremeweiß gestreifte Gardine, die Fensterbänke, die Zierdosen auf dem Beistelltisch, auf die Herdplatten, die
     Putztücher an den Plastikhaken und die Drahtkleiderbügel, die am Küchentürgriff hingen. Er rieselte herunter von der Decke,
     und sie sagte, sie wäre daran gewöhnt, durch Stäubchenwolken zu gehen, sie käme mit dem Wischen nicht mehr hinterher, sie
     bezahlte eben den Preis dafür, in einer Altbauwohnung recht günstig zu wohnen, und das Wasser wäre kalkhaltig, sie hätte aufgehört,
     sich über Kalkflecken zu ärgern.
    Franz wartete eine Erlaubnis nicht ab und setzte sich, tatsächlich sah er, wie sich die im Licht flirrenden Staubpartikel
     auf ihr Haar legten, sie rief ihn zu sich ans Fenster und zeigteauf die Haltestelle vor der Hauptfiliale einer Sekte. Es gäbe eine kleine Bürgerbewegung, die die Verlegung der Haltestelle
     forderte, denn es stiegen dort Schulkinder ein und aus, und die Eltern befürchteten eine illegale und illegitime Einflußnahme
     seitens der Sektenanhänger, das wäre aber ausgemachter Unsinn, und auch das Bezirksamt würde es ähnlich sehen und deshalb
     die Haltestelle nicht verlegen. Er lauschte ihrer Stimme mehr, als daß er der Geschichte folgte, es kam ihm eigenartig vor,
     daß sie ihn zu sich eingeladen hatte, er hätte wie in den letzten Nächten auch in einem Hotelzimmer unterkommen können. Sie
     hieß also Jacinta. Und der Schmuck war in der Plastiktüte, die er in der geliehenen Kunstledertasche aufbewahrte, und die
     Tasche lag auf der Kommode im Flur.
    Jacinta. Ich habe alles verstanden, sagte sie, aber was ist mit den Rehkitzen? Sie haben uns gelockt in die Hinterhöfe, sagte
     er, ein falsches Gerücht, ein anderer, der sich mit dem Namen des Fotografen tarnt, der Haihappen kann es nicht sein, Fritz
     und das Ehepaar, bei dem er untergeschlüpft war, können es auch nicht sein. Ich weiß es nicht … Und sie dachten nach, vielmehr
     taten sie so, als würden sie daran Gedanken verschwenden, es war ein Geheimnis, ein Detail, eine Kleinigkeit, die sie nicht
     beschäftigte, und weil er sich unbehaglich fühlte, am Fenster nah bei ihr, holte er die Tasche, und aus der Tasche holte er
     die Plastiktüte, und dann, ohne zu zögern, leerte er sie, und all das Gold fiel auf den weichen Teppich, sie setzte sich auf
     den Boden, er glitt neben sie, und sie schauten es sich an. Das Gold.
    Und er sagte: Wähl dir bitte eine Uhr, ein Armband, einen Ring und eine Halskette aus, bitte die komplette Serie, und tu mir
     den Gefallen und verstehe es nicht falsch. Sie konnte aber keine Arglist darin erkennen, daß er sie beschenkte. Zuerst suchte
     sie sich eine Goldkette mit Herzanhänger aus, er würde es nicht falsch auslegen. Während sie mit dem Zeigefingerim Schmuck stocherte, sah er den Staub herabfallen auf ihre Schultern, auf ihren Hals, an dem die Kette schon hing, auf ihr
     dunkelbraunes Haar, auf ihre Unterarme, auf die aufgeplatzte Naht an der Ärmelinnenseite.
    Plötzlich sah sie auf, die Uhr, der Ring und das Armband in der Faust, sie stand auf und nahm auf dem Stuhl mit der hohen
     Lehne Platz. Sie sagte: Anka ist

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