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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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sie standen lieber, und da
     stürmte sie aus dem Zimmer und kam kurzeZeit später mit einem großen Glas mit eingelegten Gurken und Auberginen zurück.
    Wir haben dir zwar unser Versprechen gegeben, aber wir haben nicht mit der Bombe gerechnet, sagte Konga, diese nette Volkskundedame
     hat uns in einem Notfall geholfen. Du darfst dich also über dieses Geschenk freuen. Ja, sagte die Witwe und ächzte, als sie
     ihre Unterwäsche in Übergröße in die Seifenlauge drückte, sie spannte die teebefleckte Stelle über die Faust und rieb hart
     mit dem Ärmelstoff darüber. Sie sahen ihr dabei zu: Seifenblasen bildeten sich an der Innenwand der Plastikwanne, das Wasser
     spritzte ihr auf die Bluse und auf das verkniffene Gesicht. Die Männer würden wieder einen Grund haben, sich über die Widersetzlichkeiten
     des Weibes das Maul zu zerreißen, einige unter ihnen zogen es sogar vor, mit den Brüdern zu brechen, denn keine anständige
     Frau wusch kurz vor Mitternacht öffentlich ihre … ihre Unterkleider, und kein junger Mann durfte ungerührt daneben stehen
     – man hatte sie schon verwarnt, zwei Male, drei Verwarnungen ergaben eine harte Strafe.
    Nun ließ sie sich einfach auf den Boden fallen und klärte sie über die schreckliche Begebenheit auf: Ich verspiele keine Gelegenheit,
     um zu danken und mich dankbar zu zeigen. Erst also das. Erst einmal danke ich der Volksdame. Was beschäftigt mich seit einigen
     Stunden? Ich kenne den Bombenleger. Nicht persönlich. Man müßte von unserer Hügelspitze auf zwei Hügelspitzen springen und
     am zweiten Hügel kurz dem Wind folgen, und man stünde vor der Tür seines Vaters. Über ihn heißt es, er wäre kein Mann zum
     Heiraten. Aber er hat sich eine Frau genommen, die ihm fünf Kinder geboren hat, und das zweitjüngste Kind, nun ja, das ist
     er. Er lispelt oder stottert nicht, er hat keinen Klumpfuß oder einen Buckel, er muß also nicht mit dem Schicksal hadern.
     Die Propaganda. Sagen die einen. Faulheit. Sagen die anderen. Und dann die Weisheiten. In einer Grube voller Schlangen ist
     es besser, eineSchlange zu sein. Sagt wer? Sagt der Betreiber des Lokals, in dem die Hügelbauern sitzen und trinken, sitzen und trinken.
     Vorhin kam wieder einer vorbei und musterte meinen Körper. Ich habe ihm zugerufen, er sollte im Lokal verkünden, daß er dem
     schamlosen Weib nachstellt. Da rief er zurück: Die Großtante eines Terroristen sollte lieber schnell Freundschaften schließen.
     Ich habe ja nichts zu befürchten, vielleicht tauchen bald Polizisten auf und befragen die Wilden, und dann kommen sie zu mir
     und befragen mich über den Kerl. Ich werde ihnen verraten, daß mich meine Verwandten nicht ausstehen können. Ich habe sie
     an keinem Tag meines Lebens geliebt. Mich beschäftigt also etwas anderes. Kann es sein, daß du, Asul, ein bißchen Farbe um
     die Augen bekommen hast? Du überreichst mir das volle Einmachglas wie einen Pokal, und dann lautet dein erster Satz: Sie hat
     es mir zum Weitergeben geschenkt. Ich mußte dir das Glas fast aus der Hand reißen. Also glaube ich, Konga kommt um vor Wut,
     weil er viele Tage vor sich hat, an denen er den Stadtfrauen heimlich nachschauen wird. Du aber kehrst zurück zum Hügel, und
     ich denke bei deinem Anblick: Der ist schwer verletzt. Und noch etwas. Ich bin natürlich zu eurer Großmutter geeilt, sie sprühte
     gerade Blattglanz auf die Stellfläche der kaputten Kommode, ich habe ihr so oft gesagt, daß man dafür Möbelpolitur benutzen
     muß, auch diesmal war ich kurz davor, ihr in den Arm zu fallen. Ich habe mich aber beherrscht.
    Und dann sprachen wir, sie polierte mit dem falschen Mittel, ich versuchte, ihr dabei nicht zuzusehen. Wir sprachen. Worüber?
     Der Hügel zwischen unserem Hügel und dem Hügel der Bombenleger stinkt wie eine Müllhalde. Und wenn der Wind in unsere Richtung
     weht, stinken wir hier auch. Wir haben uns also erst über den Müll der anderen und dann über unseren Unrat unterhalten. Da
     hielt ich es nicht mehr aus und erwähnte die Verwüstung, sie hörte sofort mit dem Polieren auf. Natürlich war sie kurz davor,
     in Ohnmacht zu fallen. Ichhabe das kalt gestellte Kölnisch Wasser aus dem Kühlschrank geholt, ich habe es ihr auf die Handgelenke gerieben. Das Band
     ist nicht zerrissen, sagte sie, sie sind noch am Leben. Sie ließ die Pupillen zu den inneren Augenwinkeln wandern. Ich kenne
     ihre Stimmung, wenn sie bewußt schielt, sie bekämpft ihre aufkeimende Angst durch

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