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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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wollen sie nur alle von mir? Er hatte den Menschen in Helmsby nichts zu geben. Was immer sie erwarten mochten, er wusste, er würde sie enttäuschen. Denn er war nicht mehr der, für den sie ihn hielten.
    Mutlos kehrte er zu seiner Großmutter zurück, setzte sich neben sie und begann, die Grütze zu verschlingen, die eine Magd vor ihn stellte. »Was heißt ›Überlebende aus Ely‹?«, erkundigte er sich zwischen zwei Löffeln.
    Sie schnalzte leise. »Natürlich. Ich vergesse ständig, dass du alles vergessen hast. Regt sich vielleicht ein Funke der Erinnerung bei dem Namen Geoffrey de Mandeville?«
    Alan hörte auf zu essen und horchte aufmerksam in sich hinein. Nichts. Aber er beobachtete mit Interesse, dass sich auf seinen Unterarmen eine Gänsehaut gebildet hatte. »Ein Schurke?«, tippte er.
    »Die schlimmste Geißel, die je über East Anglia gekommen ist. Stephen, dieser erbärmliche Tropf, der sich König von England nennt, hatte ihn zum Earl of Essex ernannt. Aber Mandeville wechselte ständig die Seiten und versuchte, Stephen und Kaiserin Maud gegeneinander auszuspielen, um seine eigene Macht zu steigern. Das ist inzwischen ein beliebter Zeitvertreib beim englischen Adel geworden. Als Stephen seinen Irrtum endlich erkannte und ihn des Verrats anklagte, floh Mandeville in die Fens, brach wie eine Seuche über East Anglia herein und errichtete seine Schreckensherrschaft. Unter anderem plünderte er das Kloster in Ely und ermordete oder verjagte die Mönche. Cyneheard, John und Elias flohen hierher. Mandeville hatte immer einen Bogen um Helmsby und deine übrigen Besitzungen gemacht, denn er wollte sich nicht mit dir anlegen. Aber als du nach Hause kamst und von Ely hörtest, bist du ausgezogen, um ihn aus East Anglia zu jagen. Und kamst nie zurück. Weil er ein paar Monate später selber fiel, haben wir nie erfahren, was aus dir geworden war. Die meisten hier haben natürlich geglaubt, Mandeville habe dich erwischt und bei lebendigem Leib auf glühenden Holzkohlen geröstet oder was immer er sonst mit denen tat, die sein Missfallen erregt hatten. Umso glücklicher sind die Leute, dass du wieder hier bist.«
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und betrachtete sie nachdenklich. »Aber der eine oder andere ist ein bisschen enttäuscht, dass ich nicht für die noble Sache gefallen bin, sondern mich stattdessen jahrelang herumgetrieben habe?«, fragte er langsam. »Der Steward, zum Beispiel?«
    Matilda hob fast unmerklich die Augenbrauen. »Möglich«, murmelte sie. »Die Menschen haben es nun einmal nicht gern, wenn sie feststellen müssen, dass auch ihre Helden nur aus Staub gemacht sind. Aber sei unbesorgt wegen Guillaume. Er ist dir sehr ergeben. Nur …«
    Sie wurde unterbrochen, weil Oswald mit einem Mal wie aus dem Nichts an der hohen Tafel erschien, sich breitbeinig vor Alan stellte und dessen Hand mit seinen beiden ergriff. »Ich hab dich gesucht, Losian. So gesucht!«
    Simon kam herbeigeeilt und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Tut mir leid«, raunte er Alan zu. »Er ist mir entwischt. Schnell wie ein Aal. Vergebt ihm, Madame«, bat er Matilda.
    Sie nickte ein wenig ungnädig. »Wenn du ihn jetzt wieder mitnehmen würdest, Simon de Clare; mein Enkel und ich …«
    Alan stand auf. »Entschuldige mich einen Moment, Großmutter.«
    »Wo willst du denn hin?«, fragte sie verwirrt.
    Er antwortete nicht, sondern stieg die kleine Stufe von der Estrade herab und trat zu Simon und Oswald. »Kommt.«
    »Alan.« Die Stimme der alten Dame klang schneidend. »Wärst du so gut, mich nicht mitten in unserer Unterhaltung einfach hier sitzen zu lassen?«
    »Ich bitte um Nachsicht, Madame«, gab er kaum weniger scharf zurück. »Henry wartet auf mich. Wir werden unsere Unterhaltung später fortsetzen müssen.«
    »Aber ich habe ein paar Dinge mit dir zu erörtern, die wirklich keinen Aufschub dulden«, wandte sie ungeduldig ein. Alan argwöhnte gar, er höre einen Anflug von Angst in ihrer Stimme.
    Ich werde Henrys Kunst erlernen müssen, an zwei Orten gleichzeitig zu sein, fuhr es ihm durch den Kopf. »Ich komme zu dir, so schnell ich kann«, sagte er, wohl wissend, dass er das auch Guillaume schon versprochen und den Steward ebenso verstimmt hatte wie seine Großmutter.
    Aber daran konnte er im Augenblick nichts ändern. All diese Menschen und ihre erwartungsvollen Blicke schnürten ihm die Kehle zu. Einen verrückten Moment lang verspürte er den Wunsch, seine Gefährten um sich zu sammeln und heimlich mit

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