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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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aufgefallen, wie rasch die Stimmung des jungen Mannes umschlagen konnte. » Peinlich ? Bei den Augen Gottes, mir schlottern fast die Knie vor Ehrfurcht, Mann. Du bist Alan of Helmsby! Ich kann’s einfach nicht fassen.«
    Alan drängte sich an ihm vorbei und ging den Korridor entlang. »Und was bedeutet dieser Name für dich?« Er stellte die Frage zögernd, denn er war jeder Antwort, ganz gleich wie sie lauten mochte, ausgeliefert. Er konnte sie weder bestätigen noch widerlegen oder ihren Wahrheitsgehalt in irgendeiner Weise messen.
    »Na ja«, begann Henry und ging mit langen Schritten neben ihm einher. »Ich hab mir sagen lassen, du bist der unerschütterlichste Streiter für die Sache meiner Mutter in ganz England. Außer unserem Onkel Gloucester vielleicht, in dessen Dienst du übrigens stehst.«
    »Gloucester. Wer war das gleich wieder?«
    »Der Bruder meiner Mutter. Und deines Vaters.« Henry warf Alan einen Seitenblick zu und erkannte offenbar dessen Verwirrung. »Also: Dein Vater, der ertrunken ist, und meine Mutter, die leider nicht ertrunken ist, waren König Henrys eheliche Kinder. Der König hatte aber außerdem auch noch eine muntere Schar Bastarde. Der älteste davon ist Gloucester.«
    Alan schwieg.
    »Wieso hab ich das Gefühl, dass du mir gar nicht richtig zuhörst?«, verlangte Henry zu wissen.
    »Entschuldige. Ich ringe gerade mit der Erkenntnis, dass König William, dieses Monstrum, das sie den Eroberer nennen, mein Urgroßvater war.«
    »Auch was das angeht, sitzen du und ich im selben Boot.«
    »Augenblick. Hast du gerade gesagt, deine Mutter sei leider nicht ertrunken?«
    Henry seufzte leise. »Ich sag dir was, Alan. Geh pinkeln.« Er wies diskret auf eine Tür an der Stirnseite des Ganges. »Dann rasier dich, zieh dich um, beglück eine deiner bildschönen englischen Mägde − ganz egal. Tu irgendwas, wovon dir besser wird. Und wenn du damit fertig bist, kommst du in meine Kammer, die ja eigentlich deine ist, ich lasse uns etwas Gutes zum Frühstück kommen, und dann erzähl ich dir all unsere dunklen Familiengeheimnisse.«
    Alan fand, das klinge wie ein guter Plan, doch er wandte ein: »Ich glaube, zuerst sollte ich nach den anderen sehen.«
    »Oh, das hab ich schon. Es geht ihnen prächtig. Bei der Gelegenheit habe ich mir erlaubt, mir deine Burg anzuschauen. Sie ist fantastisch.« Seine blauen Augen leuchteten vor jugendlichem Enthusiasmus.
    »Du warst schon unten im Hof und hast mit den anderen gesprochen?«, fragte Alan erstaunt.
    Henry zuckte kurz die Achseln. »Ich war früh wach. Und Stillsitzen ist die schlimmste Strafe für mich. Mein Vater behauptet, das liege an dem Dämonenblut. In Angers – dort wohnen wir, jedenfalls in den seltenen Fällen, wenn wir nicht gerade im Krieg sind –, also in Angers sagen die Leute, ich hätte die Gabe, an zwei Orten gleichzeitig zu sein. Das stimmt leider nicht, aber ich habe nichts dagegen, wenn sie es glauben. Um ehrlich zu sein, bediene ich mich manchmal meines Bruders Geoffrey, um diesen Eindruck zu verstärken. Er sieht so aus wie ich, wenn man nicht zu genau hinschaut.«
    Alan musste lächeln. Die ungeheure Lebendigkeit dieses jungen Mannes faszinierte ihn. Er hatte sie schon gespürt, als sie sich in der unwirtlichen Wildnis begegnet waren, aber hier – an einem Ort, der eher Henrys gewohnter Umgebung entsprach – trat sie noch viel deutlicher zutage. »Also dann. Ich komme, so schnell ich kann. Ich brenne auf die dunklen Familiengeheimnisse …«
    Aber es dauerte ein Weilchen, ehe er die Gelegenheit bekommen sollte, sie zu hören. Er hielt an seinem Plan fest, bei seinen Gefährten vorbeizuschauen, denn auch wenn Henry behauptet hatte, es ginge ihnen »prächtig«, traf das auf Oswald und Luke sicherlich nicht zu. Henry kannte sie nicht so gut wie Alan und verstand obendrein ihre Sprache nicht.
    Doch der Weg in den Burghof führte durch die Halle, und als Alan diese betrat, fand er sie im Vergleich zum Vorabend sehr verändert: An die dreißig Menschen saßen an den hufeisenförmig aufgestellten Tischen und frühstückten. Runde Brotlaibe, Bierkrüge und Schalen mit Hafergrütze wurden herumgereicht, eine Schar Kinder tollten mit Grendel und zwei weiteren Hunden in den Binsen am Boden umher. Die Menschen unterhielten sich lautstark und ungezwungen. Nur an der hohen Tafel, die die Stirnseite des Hufeisens bildete, ging es ruhiger zu. Dort saßen Matilda of Helmsby, der Steward Guillaume mit einer rundlichen, blutjungen Frau, die

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