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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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können wir ihn nicht.«
    »Wie gefährlich ist er?«
    »Gefährlicher als alles, was du dir vorstellen kannst. Es gibt Momente, da er mehr mit einem wilden Tier gemein hat als mit einer menschlichen Kreatur.«
    »Und ich nehme an, er schuldet sein Leben?«
    »Viele Male.«
    »Und doch zögerst du, ihn zu töten. Warum?«
    »Weil er sich mir anvertraut hat, genau wie die anderen.« In dem Moment, als er es aussprach, erkannte Alan, dass das tatsächlich der einzig wahre Grund war. Er glaubte nicht, dass es für Regy eine Rettung geben könne. Er glaubte auch nicht, dass irgendeine geheimnisvolle Verbindung zwischen ihnen bestand. Aber Regy war mit auf das Floß gestiegen, statt sich von den Palisaden zu stürzen, weil er beschlossen hatte, sich in Alans Obhut zu begeben. Dieses bedingungslose Vertrauen seiner Gefährten und die Tatsache, dass er sie bis hierher gebracht hatte, ohne einen zu verlieren, war das Einzige, was Alan vorzuweisen hatte. Helmsby, der Krieg zwischen Kaiserin Maud und König Stephen – all das zählte nicht, denn es waren die Taten eines anderen. Wirklich waren nur die Zeit auf der Insel und die Wanderschaft seit der Flucht von dort.
    »Sie sind … ein ziemlich komischer Haufen«, bemerkte Guillaume behutsam. »Auf der Burg wird gerätselt, wie du an solche Gefährten kommst. Krüppel und Schwachsinnige. Früher hättest du ihnen ein paar Pennys hingeworfen und dich schaudernd abgewandt. Heute sind sie deine Freunde.«
    »Sie sind besser, als man auf den ersten Blick meint«, antwortete Alan. »Wir haben zusammen überlebt. Unter … widrigen Umständen. Vielleicht so ähnlich wie Männer, die gemeinsam im Krieg waren. Das verbindet. Und die Leute auf der Burg sollten sich lieber an ihren Anblick gewöhnen. Denn wenn ich in Helmsby bleibe, bleiben auch meine Gefährten. So sie denn wollen.« Er wandte sich ab und ging ohne Eile zum Portal.
    Guillaume schritt neben ihm einher. »Ich wollte dich nicht kränken. Aber ich dachte, du willst vielleicht wissen, was die Menschen denken.«
    »Du hast recht. Ich will es wissen, und ich bin auch nicht gekränkt. Es ist im Übrigen keine große Überraschung, dass meine Gefährten hier unwillkommen sind. Das sind sie nämlich überall. Fast, jedenfalls«, schränkte er ein, weil ihm Josua ben Isaac in den Sinn kam. Er löste Conans Zügel von dem Holzbalken und streifte ihn dem Pferd über den Kopf. »Komm, lass uns ein Stück reiten, Cousin, wie du gesagt hast. Ich habe keine Erinnerung an dieses Land, also muss ich es neu kennenlernen.«
    Simon fand Alan in der Halle. Es war früher Nachmittag, und nur wenige Menschen hielten sich in dem großen Saal auf; die meisten fanden an einem Frühlingssonntag Besseres zu tun. Mägde, Knechte und dienstfreie Wachen waren bei ihren Familien im Dorf oder im Burghof, wo die jungen Burschen auf der Wiese ein Turnier im Ringkampf austrugen.
    Nur zwei alte Weiber saßen am unteren Ende der Tafel und tauschten Dorfklatsch aus. Oder vermutlich zerreißen sie sich eher die Mäuler über uns, ging Simon auf, denn die Gevatterinnen wurden verdächtig still, als sie ihn eintreten sahen.
    Alan hatte sich rasiert und saubere Kleider angezogen: einen äußerst vornehmen Bliaut aus dunkelblauem Tuch mit langen Ärmeln, deren Enden mit Ranken aus matt schimmerndem Goldfaden bestickt waren. Der Schlitz am Halsausschnitt war mit einer schlichten, goldenen Fibel verschlossen. Unter dem ebenfalls bestickten Saum des wadenlangen Obergewandes schaute die etwas längere, sattgrüne Kotte hervor, die bis auf die knöchelhohen Schuhe reichte.
    Alan saß mit einem Becher Wein an der hohen Tafel. Er hatte den Sessel ein Stück herumgedreht, sodass er ins Feuer schauen konnte. Allein Grendel leistete ihm Gesellschaft. Er saß neben ihm im Stroh, hatte den Kopf auf Alans Bein gelegt und ließ sich hinter den Ohren kraulen – die Augen vor Wonne zugekniffen.
    Simon trat zu ihnen. »Sehr elegant«, bemerkte er.
    »Danke. Ich habe ein Bad genommen, ob du’s glaubst oder nicht. Und nun komme ich mir vor wie verkleidet.«
    Simon schüttelte den Kopf. »Du machst dich gut in der Rolle als Herr der Halle. Sie steht dir.«
    Alan nickte versonnen. »Vielleicht gewöhne ich mich noch daran.« Er wies mit dem Weinbecher auf den freien Platz an seiner Seite, und Simon zog sich den Sessel ebenfalls herum, sodass sie einander gegenübersaßen.
    »Du hast Regy umquartiert, habe ich gehört?«, fragte er.
    »In die Dachkammer des Südturms. Guillaume hat

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