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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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of Whitholm. Vielleicht würde er wieder lernen, wie ein Edelmann zu essen – langsam, genüsslich und in der Gewissheit, dass es auch morgen wieder etwas gab. Falls er sich denn entschloss, das Leben eines Edelmannes zu führen. Falls er dazu in der Lage war …
    Er betrachtete seine Frau und versuchte, sich in sie hineinzuversetzen. Aber er kam nicht weit. Sie wirkte gekränkt. Das konnte er verstehen: Er hatte sie nach drei Jahren der Trennung und der Ungewissheit gestern einfach stehen lassen und war davongelaufen. Der kurze Blick, mit dem sie ihn eben gestreift hatte – bislang der einzige –, hatte ihm gezeigt, wie wütend sie war. Aber er hatte noch etwas anderes darin gelesen, das er nicht zu deuten vermochte.
    Er wartete geduldig, bis die Mahlzeit vorüber war und Bruder Elias – oder möglicherweise war’s Bruder John – das Dankgebet gesprochen hatte. Dann stand Alan auf und nahm Susanna behutsam beim Arm. »Komm. Ich denke, es wird Zeit, dass wir reden.«
    Sie erhob sich willig, ohne das geringste Zögern, aber der anzügliche Blick, den Henry und Haimon tauschten, entging ihr so wenig wie Alan, und ihre zarten Wangen röteten sich.
    Er ließ sie auf der Treppe vorausgehen, und sie öffnete die Tür zu der Kammer, die sie vermutlich als Eheleute geteilt hatten. Die erlesenen blauen Bettvorhänge waren zurückgeschoben. Der Fensterladen war weit geöffnet, sodass man den Aprilregen draußen leise rauschen hörte und die feuchte Brise hereinkam. Auf der Truhe neben der Tür entdeckte Alan das Buch, welches seine Großmutter ihm gegeben hatte.
    Susanna setzte sich auf die Bettkante, ließ den Kopf hängen, und Alan sah dann und wann eine Träne in den Schoß ihres wundervollen grünen Kleides tropfen. Sein Herz sank. Er hatte jede Finesse im Umgang mit Frauen verlernt, aber er wusste eins: Tränen waren kein sehr vielversprechender Anfang. Er setzte sich ihr gegenüber auf einen der Schemel. »Was genau ist es, das dich bekümmert?«, erkundigte er sich.
    Ihr Kopf fuhr hoch, und sie presste die Hand vor den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken. »Das fragst du? Du kommst nach drei Jahren zurück, erkennst mich nicht und verschwindest einfach! Und das auch noch so, dass jeder es sieht! Wie steh ich denn da?«
    »Also du fühlst dich bloßgestellt.«
    »Wie sonst soll ich mich fühlen?«, gab sie zurück, heftig, aber wenigstens keifte sie nicht. »Und zurückgewiesen. Das hab ich nicht verdient!«
    »Nein, dessen bin ich sicher. Aber du bist eine Fremde für mich, Susanna. Ich bedaure, dass das so ist, aber es gibt nichts, was ich dagegen tun könnte. Außer dich von Neuem kennenzulernen. Aber ich schätze, das wird ein bisschen Zeit erfordern.«
    »Das hätte dich nicht hindern müssen, mir ein Mindestmaß an Höflichkeit zu erweisen und an meiner Seite zu bleiben.«
    »Aber das ist nun einmal geschehen, und ich habe mich entschuldigt. Denkst du, du könntest aufhören, wie ein Kind über verschüttete Milch zu heulen, und mir stattdessen sagen, was ich tun soll?«
    »Der Alan von früher hätte gewusst, was er tun soll!«, konterte sie wütend.
    »Verstehe.« Er zögerte. Dann stellte er die Frage, auf die er unbedingt eine Antwort haben musste, auch wenn ihm ein wenig davor graute. »Hast du ihn geliebt, diesen Alan von früher? Und hat er dich geliebt?«
    »Natürlich.«
    »Natürlich? Wieso ist es so selbstverständlich? Waren es nicht mein Vormund und dein Vater, die unsere Heirat ausgehandelt haben?«
    »Doch, sicher.«
    »Und wie lange waren wir verheiratet, bevor ich verschwunden bin?«
    »Ein gutes Jahr.«
    Ein schrecklicher Gedanke kam ihm: »Haben wir ein Kind?«
    Sie schüttelte den Kopf und kniff für einen Moment die Augen zu. »Auf Anhieb hat es nicht geklappt. Und du warst so viel weg.«
    Plötzlich bedauerte er sie: eine enttäuschte, allein gelassene junge Braut. Und er hatte ein schlechtes Gewissen. »Dennoch hatten wir eine gute Ehe, würdest du sagen? Wir können uns nicht sehr gut gekannt haben, wenn wir nur ein Jahr hatten und ich oft fort war.«
    »Was ist so schwierig an einer guten Ehe, wenn die Parteien zusammenpassen und sich ein bisschen Mühe geben? Du warst der höchst gerühmte Ritter der Kaiserin. Und ich hatte alles, was die Gemahlin eines solchen Mannes mitbringen sollte.«
    Er nickte. Schönheit, Eleganz, perfekte Manieren und, wie ihm allmählich klar wurde, ein Spatzenhirn. Wirklich die ideale Gefährtin für den eitlen, geistlosen Heißsporn, der er offenbar

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