Hiobs Brüder
gewesen war.
»Warst du glücklich?«, fragte er.
Sie nickte. »Jede Frau in England hat mich beneidet. Und jeder Mann in England hat dich beneidet.«
»Das ist keine Antwort. Warst du glücklich?«
Sie schien irritiert, als wisse sie nicht so recht, was er meinte. Aber schließlich antwortete sie: »Ja. Ich war glücklich. Und du warst es auch.« Sie lachte plötzlich. »Du meine Güte, du hast dir kaum Zeit gelassen, die Rüstung abzulegen, wenn du heimkamst. So eilig hattest du es, mich …« Sie brach ab und schaute auf das Bett hinab, auf dessen Kante sie hockte.
Alan nickte wortlos. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was sie hier getrieben hatten. Hatte er sich wenigstens das Blut der ungezählten erschlagenen Feinde seiner Kaiserin von den Händen gewaschen, ehe er seine bildschöne, willige Frau besprang? Oder war es ihr lieber gewesen, wenn er die Beweise seiner Ruhmestaten mit ins Bett brachte? Denn es war ja nicht er gewesen, den sie geliebt hatte. Nicht Alan of Helmsby. Sondern ›Mauds schärfstes Schwert‹.
»Ich will diesen Alan zurück«, brach es aus ihr hervor. »Du siehst aus wie er, aber du bist nicht er. Ich versteh das einfach nicht. Wie kannst du so … verändert sein?«
Sie verstand es wirklich nicht, ging ihm auf. Sie begriff nicht, dass er sich unbeabsichtigt in einen anderen verwandelt hatte. Und noch etwas wurde ihm in diesem Moment klar: »Du schämst dich, mit mir verheiratet zu sein, nicht wahr? Ich … bin dir peinlich.«
Sie sah ihn an. »Natürlich schäme ich mich! Was sonst könnte ich tun? Du stehst vor mir und sagst, ich sei eine Fremde für dich. Du schaust mich an, als sähest du mich zum ersten Mal. Du … du bist eine Monstrosität, wie die Missgeburten, mit denen du dich neuerdings umgibst! Und du merkst es nicht einmal.«
Er war zusammengezuckt, aber er verspürte keinen Zorn, eher eine Art dumpfe Resignation. »Ich denke, es steht nicht ganz so schlimm um mich, wie du glaubst, aber in gewisser Weise hast du recht. Nur komme ich mehr und mehr zu der Erkenntnis, die Monstrosität war der, der ich einmal war. Und du hast es noch nicht einmal gemerkt, Susanna.«
Sie wandte den Kopf ab und schluchzte schon wieder. Dann sprang sie auf die Füße und lief hinaus.
Alan war erleichtert. Endlich war einmal nicht er derjenige, der die Flucht ergriffen hatte.
Westminster, April 1147
»Mein Name ist Simon de Clare, und ich bringe eine Nachricht für den König.« Er achtete darauf, mit fester Stimme zu sprechen. Und er war dankbar, dass er Alans Rat befolgt und die feinen Kleider angelegt hatte, ehe sie ankamen. Mehr noch als die Waffen gaben sie ihm Selbstvertrauen.
Die vier Soldaten am hölzernen Torhaus der königlichen Halle zu Westminster stierten die Zwillinge einen Moment mit der so typischen Mischung aus Faszination und Abscheu an, dann richteten sie die Blicke wieder auf Simon, und der Längste von ihnen, ein angelsächsischer Blondschopf, näselte höflich: »Ich muss Euch bitten, uns das Siegel zu zeigen, Simon de Clare.« Der Ärmste hatte eine schlimme Erkältung. Unter dem Nasenschutz seines matten Helms lugte ein beachtlicher geröteter Zinken hervor, von dem es tröpfelte.
Simon schüttelte den Kopf. »Es ist eine mündliche Botschaft, und ich bin nicht befugt zu sagen, von wem. Vermutlich ist es das Beste, ich spreche mit dem Offizier der Wache.«
Die Männer verständigten sich mit Blicken, dann nickte der Blondschopf. »Folgt mir. Aber die Missgeburten bleiben draußen. Das ist kein Anblick für die Königin und die edlen Damen.«
Er machte kehrt, aber Simon rührte sich nicht. »Ich gehe keinen Schritt ohne sie«, erwiderte er entschieden. »Hat nicht die Königin bei der Schlacht von London die Truppen geführt? Ich hätte nicht gedacht, dass sie so zimperlich ist.«
Der Wachsoldat war stehen geblieben und erklärte kopfschüttelnd: »Ist sie nicht.« Er zog emsig die Nase hoch und spuckte aus, aber immerhin wandte er sich vorher höflich ab. »Es ist eine Frage des Anstands«, führte er dann aus. »Morgen ist Ostern, und der König und die Königin halten hier Hof. Was glaubt Ihr eigentlich, wo Ihr hier seid?«
Beiläufig warf Simon seinen Mantel zurück über die Schulter, sodass das Heft seines Schwerts freilag. »Und was glaubst du eigentlich, wen du vor dir hast? Wenn du uns nicht einlassen willst, schlage ich vor, du holst den Offizier der Wache hierher. Wenn du nicht willst, dass wir vor deinem Tor kampieren.« Er verschränkte
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