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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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demonstrativ die Arme.
    Dem Soldaten lag unverkennbar auf der Zunge, dass es durchaus im Rahmen seiner Befugnisse lag, Vagabunden vom Tor verjagen zu lassen, aber er nahm sich zusammen. Der Name de Clare hatte Gewicht an diesem Hof. Schniefend wandte er sich ab und verschwand im Torhaus.
    »Wir können auch hier draußen warten, Simon«, murmelte Godric gedämpft.
    »Ja«, stimmte sein Bruder zu. »Wir sind schließlich mitgekommen, um dir zu helfen, nicht damit man dir unseretwegen Steine in den Weg legt.«
    »Kommt nicht infrage«, antwortete Simon und zeigte verstohlen mit dem Finger aufs Torhaus. »Was dahinter liegt, ist ein Wespennest. Um heil wieder herauszukommen, brauche ich Glück. Mit anderen Worten: euch.«
    Wie er beabsichtigt hatte, hellten die Mienen seiner Freunde sich auf, aber die Zwillinge blieben angespannt und nervös. Ihre Augen waren rastlos und voller Argwohn. Sie hatten sich heute früh in dem Londoner Wirtshaus, wo sie über Nacht geblieben waren, sorgfältig die Bärte gestutzt, die Haare gekämmt und die nagelneuen Kittel angezogen, die Alan ihnen hatte einpacken lassen. Äußerlich wirkten sie respektabel, geradezu zivilisiert. Aber ihre Nervosität verlieh ihnen etwas unterschwellig Gefährliches, und zwei zusammengewachsene gefährliche Männer, stellte Simon verblüfft fest, strahlten eine tödliche Bedrohung aus. König Stephens Torwachen waren erfahrene Soldaten und hatten das sofort gespürt.
    Es war ein nasskalter, ungemütlicher Vormittag. Die königliche Straße von London nach Westminster hatte mehr Ähnlichkeit mit einer Schlammsuhle als einem befahrbaren Weg gehabt, und sie hatten ihr treues Pferd bedauert, das sie tapfer, aber unverkennbar mühsam über den morastigen Untergrund gezogen hatte. Doch die drei Boten hatten nicht gewagt, vom Wagen zu steigen, weil sie fürchteten, mit den sorgsam gebürsteten Stiefeln bis zu den Knöcheln einzusinken. Der Wind fegte ungemütlich vom Fluss herüber, und so waren sie dankbar, als die Wache in Begleitung eines Normannen in einem blanken Kettenhemd zurückkam.
    »Simon!«, rief der Offizier der Wache aus, als er durchs Tor trat. Lächelnd streckte er die Arme aus. »Ist das zu fassen? Was verschlägt dich hierher?«
    Simon konnte sein Glück kaum fassen. »Richard!« Es war der älteste Sohn seines Onkels und zukünftige Earl of Pembroke, der sich, ganz im Gegensatz zu seinem Vater, nicht befremdet von ihm distanziert hatte, als er von Simons Fallsucht erfuhr.
    Sie umarmten sich, brüsk, aber herzlich.
    Richard de Clare legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihn kopfschüttelnd an. »Wo in aller Welt hast du nur gesteckt?«
    »Oh, das ist eine … lange Geschichte. Ich hatte ein paar Schwierigkeiten bei mir zu Hause. Aber das ist nicht der Grund, warum ich hergekommen bin. Hier, das sind meine englischen Gefährten, Godric und Wulfric.«
    Richard zog verwundert die Brauen in die Höhe, lächelte aber und nickte den Zwillingen zu. »Kommt erst einmal raus aus diesem Sauwetter«, schlug er vor und führte sie zum Torhaus.
    »Mylord, denkt Ihr wirklich, dass diese beiden Gesellen …«, begann der Blondschopf und zeigte mit dem Finger auf Wulfric und Godric.
    »Oh, wen sollen sie denn stören?«, unterbrach Richard de Clare ungeduldig. »Das geht schon in Ordnung.«
    »Ich meine nur, weil Ihr gesagt habt …«
    »Ich weiß. Ihr habt richtig gehandelt und eure Aufgabe erfüllt, jetzt lasst mich die meine erfüllen.«
    Die Wachen machten ihnen höflich Platz, offensichtlich beruhigt. Es war nicht das erste Mal, dass Simon beobachtete, welch glückliche Hand sein Vetter im Umgang mit Untergebenen hatte. Richard war nur zwei Jahre älter als Simon, doch es war kein Wunder, dass er hier schon der Offizier der Wache war.
    Er führte sie in den Innenhof der großen, von Palisaden geschützten Anlage und pfiff einen Stallburschen herbei, dem er Pferd und Wagen anvertraute. Gleich gegenüber dem Torhaus lag das Hauptgebäude, die große königliche Halle, und links dahinter ragte die gewaltige steinerne Klosterkirche auf, die der heilige König Edward vor rund hundert Jahren hatte bauen lassen. Simon stockte der Atem, als er sie sah.
    »Jesus«, murmelte Godric und bekreuzigte sich, genau wie sein Bruder. »Ich wusste nicht, dass es so große Kirchen gibt.«
    Richard de Clare folgte ihrem Blick und nickte. »Der beste Ort, um Ostern zu begehen. Aber seid ihr nicht durch London gekommen? Habt Ihr St. Paul nicht gesehen? Sie ist größer.

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