Hiobs Brüder
…«
»Setz dich, Guillaume«, lud Gunnild ihn mit Nachdruck ein. »Und du auch, Egbert. Das ist Egbert der Müller, Mylord.«
Alan nickte ihm zu. »Egbert.«
»Mylord. Willkommen zu Haus.«
»Danke.«
Es wurde eng am Tisch, als die beiden Besucher Platz nahmen. Gunnild wollte aufstehen und Bier holen, aber Alan hielt sie mit einer Geste zurück und tat es selbst. Ihm war nicht entgangen, dass das Gehen ihr schwerfiel.
Guillaume und der Müller tauschten einen fassungslosen Blick. Alan schloss, dass es früher nicht zu seinen Gewohnheiten gehört hatte, seine Hörigen zu bedienen. Aber das war ihm gleich. Je eher ihnen klar wurde, dass er nicht mehr derselbe war, desto besser für sie alle.
»Egbert braucht dringend Hilfe in der Mühle, Mylord«, eröffnete Gunnild ihm. »Ich dachte, das wäre vielleicht das Richtige für Oswald. Egbert ist mit unserem Gorm zusammen aufgewachsen, und darum versteht er …« Sie ließ den Satz unvollendet. »Oswald braucht eine Arbeit, Egbert einen Gehilfen. Es wäre gut für beide Seiten.«
Alan sah von Oswald zum Müller und wieder zurück. Gunnild hatte recht, erkannte er. Je geregelter Oswalds Tagesablauf war, desto glücklicher war der Junge, und es quälte ihn, wenn man ihm nichts zu tun gab. Er konnte keine schwere Arbeit verrichten, aber er war willig und zuverlässig, solange man ihn nicht überforderte. Nur war Alan nicht sicher, ob ein Feuerkopf wie Egbert die nötige Geduld hatte. Und ebenso wenig war er sicher, ob es ihm gefiel, dass Gunnild diesen Plan über seinen Kopf hinweg gefasst hatte und Oswald hier einen Platz bekam, der dem Jungen das Gefühl vermittelte, sie seien am Ziel ihrer Wanderung. Es wäre nur eine weitere Fessel, die Alan an Helmsby band.
»Ich werde darüber nachdenken«, stellte er in Aussicht.
»Und darf ich hoffen, dass du jetzt mit mir zurück auf deine Burg kommst?«, fragte der Steward im Tonfall überstrapazierter Geduld.
Alan lächelte ihn an und schüttelte den Kopf. »Oswald und ich bleiben hier, wenn Gunnild uns duldet. Ich komme morgen früh auf die Burg, wenn die Gemüter sich beruhigt haben.«
»Eine Decke und ein Platz vor dem Herd ist alles, was ich zu bieten habe«, warnte die alte Frau.
Alan nickte ungerührt. »Wir haben schon schlechter gelegen, glaub mir.«
Die Halle war das Herzstück von Helmsby Castle, wo sich das Leben seiner Bewohner und des Gesindes abspielte und alle Mahlzeiten eingenommen wurden. Nur musste sich in Helmsby für gewöhnlich niemand abends ins Stroh entlang der Hallenwände betten, weil es eine moderne Anlage war und Alan bei ihrer Erbauung neue Ideen umgesetzt hatte, auch wenn er sich nicht daran erinnerte: Die Herrschaft und hohe Gäste hatten Schlafkammern im Geschoss über der Halle, Wachen und Mägde und Knechte bewohnten die kleinen Gesindehütten im Hof.
Doch jetzt war es so voll auf Alans Burg geworden, dass er bei seiner Heimkehr am nächsten Morgen elf Schläfer in der Halle vorfand. Oder zehn, genauer gesagt, denn einer war schon erwacht, saß an der hohen Tafel und fuhr mit einem Wetzstein über die Klinge seines Schwertes.
»Henry.« Alan trat zu ihm. »Was tust du hier unten?«
Der junge Edelmann sah auf. Rotblonde Bartstoppeln schimmerten auf seinen Wangen, unter den Augen lagen verräterische Schatten, aber sein Lächeln war so strahlend wie immer. »Alan! Du siehst selber so aus, als hättest du auf der Erde geschlafen.«
»Schon möglich.«
»Ich hab mein Bett großmütig deiner Gemahlin überlassen. Sie war ein bisschen geknickt über dein Verschwinden, und ich dachte, das tröstet sie vielleicht. Außerdem war ich nicht sicher, ob ich es noch die Treppe hinaufgeschafft hätte. Dein Burgunder hat es in sich.«
»So, so. Ein Besäufnis zwei Tage vor Gründonnerstag, und obendrein auf meine Kosten.« Alan setzte sich zu ihm. »Und du zahlst nicht einmal mit einem dicken Kopf dafür.«
»Nein, nie«, gab Henry zurück. »Ich kann saufen wie ein Loch und merke nichts davon. Das liegt vermutlich am …«
»Dämonenblut, ich weiß.«
Sie lachten. Dann wies Alan auf die reglosen Gestalten am Boden. »Ich bin froh, dass du deine Freunde wiedergefunden hast.«
Henry folgte seinem Blick und hob versonnen die Schultern. »Sie sind meine Ritter. Ihre Freundschaft gehört meinem Vater.«
»Verstehe.«
»Sie hätten sich ohne mich nie heimwagen können, darum haben sie so hartnäckig nach mir gesucht. Nicht, weil ihnen persönlich an mir liegt. Ich meine, sie sind schon in
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