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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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»Was ist hier passiert?«
    Der junge Franzose fuhr sich verlegen mit dem Zeigefinger über den Nasenflügel. »Sie kreuzten hier auf, kurz nachdem ihr fort wart. Das machte für den Ärmsten alles noch viel komplizierter. Sein Cousin Haimon ist eine Natter, und seine hinreißende Frau auch, wenn man’s genau nimmt. Und ein Luder.« Er wollte Entrüstung heucheln, aber der Schalk übermannte ihn förmlich, und er schaffte es nicht, das unbekümmerte Grinsen ganz zu unterdrücken. »Ja, schön, ich sehe, du ahnst es sowieso schon. Verdammt, Simon, sie hat sich mir an den Hals geworfen!«
    »Armes verführtes Unschuldslamm.«
    »Natürlich bin ich das nicht«, gestand Henry ungeduldig. »Bei den Augen Gottes, Mann, ich bin nicht stolz darauf, in Ordnung? Was soll ich sagen? Es schien in dem Moment eine gute Idee zu sein.«
    Simon betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Die Ausrede, die so mancher Tor unter dem Galgen vorgebracht hat.«
    »Tja. Gut möglich, dass es eines Tages auch meine letzten Worte sein werden«, musste Henry einräumen.
    »Und wie hat er’s erfahren?«
    »Er …« Henry räusperte sich. »Er kam zufällig vorbei.«
    »Oh, bei allen Heiligen, Henry …«
    »Ich weiß«, beeilte Henry sich zerknirscht einzuwerfen. »Ich weiß, was ich angerichtet hab, Mann. Und dann ist er verschwunden, und niemand weiß, wohin, und ich muss morgen das Land verlassen und kann mich nicht mit ihm aussöhnen. Das macht mir schwer zu schaffen. Du weißt nicht zufällig, wo er sein könnte?«
    Doch, vermutlich schon, dachte Simon, aber er schüttelte den Kopf.
    Henry sah ihm einen Moment in die Augen. Er schien zu ahnen, dass Simon ihm nicht die Wahrheit sagte, aber er protestierte nicht. Vermutlich wusste er, dass er verdient hatte zu schmoren.
    »Und wieso wissen es hier alle?«, fragte Simon.
    »Die alte Schachtel ist nicht auf den Kopf gefallen. Sie hat Susanna gefragt, ob sie sich vorstellen könne, warum Alan verschwunden ist, und Susanna hat es nicht geschafft, sich rauszureden. Junge, ich sag dir, hier war der Teufel los. Ausgerechnet Haimon übernahm stellvertretend die Rolle des erzürnten Gemahls. Er hat mir ein Ding verpasst, dass ich dachte, ich steh nie wieder auf, und dann wollte er sich Susanna vornehmen, aber Matilda ging dazwischen. Sie hat andere Methoden, Susanna bezahlen zu lassen – du hast es ja gesehen. Ehrlich, wir hatten hier ein paar richtig vergnügliche Tage.«
    »Verdientermaßen«, bemerkte Simon streng.
    »Tja.« Henry fuhr sich ratlos über die Stirn. »Da hast du recht. So betrachtet bin ich nicht unglücklich, dass ich morgen aufbreche.«
    »Das glaub ich gern.«
    »Simon, ich weiß, dass du wütend auf mich bist, aber ich habe mich gefragt …«, begann Henry ungewöhnlich kleinlaut und stockte dann. »Ich hab mich gefragt, ob du vielleicht mit mir kommen willst nach Anjou? Auch wenn ich mich gerade wie ein Trottel und ein Schweinehund benommen habe, bin ich eigentlich doch keins von beiden, und ich habe große Pläne. Einen Kerl wie dich, der mutig genug ist, das zu tun, was du getan hast, findig genug, heil und erfolgreich zurückzukommen, aber nicht so ein Großmaul wie ich, sodass er über die delikaten und vertraulichen Einzelheiten die Klappe halten kann … So einen Kerl könnte ich gut gebrauchen.«
    Es war wie Balsam auf Simons Seele. Die Zurückweisung seines Königs hatte ihn härter getroffen, als er für möglich gehalten hätte. Und auch wenn er nicht verstehen konnte, was Henry getan hatte, und in der Tat wütend auf ihn war, änderte das doch nichts an der Freundschaft, die er für ihn hegte. Er glaubte an Henrys große Pläne. Das machte wohl einen Teil des Zaubers aus, den dieser junge Franzose besaß: Nach kürzester Zeit in seiner Gesellschaft überzeugte er jeden davon, dass er Wunder vollbringen konnte.
    Doch Simon schüttelte den Kopf. »Ich würde dich gern begleiten«, gestand er. »Aber ich kann diesem Scherbenhaufen, den du angerichtet hast, nicht einfach den Rücken kehren. Wenn Alan nicht hier ist, muss ich mich um unsere Gefährten kümmern. Und ich muss über König Stephen und deine Mutter nachdenken.«
    »Vergiss sie, alle beide«, riet Henry. »Sie haben eurem England nichts als Unglück gebracht, aber ich mach es wieder gut, du wirst sehen.«
    »Vielleicht. Wie gesagt, ich muss nachdenken. Wenn ich das getan habe und wenn die Dinge sich hier geklärt haben, werde ich dir möglicherweise folgen. Du bist ja nicht schwer zu finden. Immer da, wo die größte

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