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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Gehirn.«
    »Ich glaube nicht, dass ich die Einzelheiten wissen will«, wehrte Alan matt ab, dem ganz übel bei der Vorstellung von diesem schwarzen Zeug in seinem Magen wurde.
    »Die Diät vermindert den Zustrom schwarzer Galle und ist der erste Schritt zu Eurer Genesung. Ansonsten solltet Ihr so viel wie möglich schlafen und ruhen. Werdet Ihr das tun?«
    »Natürlich.«
    »Und nicht grübeln.«
    »Ich werde mich bemühen«, gelobte er feierlich.
    Es waren nicht einmal unangenehme Tage. Er litt Hunger, weil die Diät aus weich gekochtem Gemüse und Wasser eher für einen kranken Säugling als für einen ausgewachsenen Mann bemessen schien, aber auf der Isle of Whitholm und vor allem nach ihrer Flucht von dort hatte er schlimmer gehungert. Er schlief, er saß in dem winzigen Garten in der Sonne, lauschte den Bienen und Vögeln und versuchte, an nichts zu denken. Einmal am Tag kam ein fröhlicher junger Jude, der anscheinend in Josuas Diensten stand, und bereitete ihm draußen im sonnigen Garten ein lauwarmes Bad, in dem er meist wieder einschlief. Es waren friedliche, beschauliche, sonnendurchflutete Tage.
    Schlimm waren die Nächte. Der Traum von seinem Ritt durch die Wüste, der ihn in Helmsby verschont hatte, kam wieder, und wenn er keuchend und durstig daraus erwachte, konnte er nicht wieder einschlafen. Dann lag er da, starrte in die Dunkelheit und versuchte die Bilder zu verscheuchen, die auf ihn einstürzten: Henry und Susanna, die zertrümmerte Laute, Oswalds Gesicht, während King Edmund ihm schonend beizubringen versuchte, dass »Losian« fortgegangen war und ihn im Stich gelassen hatte … Er bemühte sich, diese Bilder abzuwehren, aber er wusste nicht, wie. Dass Josua ihm untersagt hatte, sich mit diesen Dingen zu befassen, schien sie nur noch aufdringlicher zu machen.
    Bis er in der zweiten Nacht ein leises Klopfen an der Tür hörte.
    Er richtete sich auf die Ellbogen auf und rief gedämpft: »Nur herein, falls Ihr den Schlüssel habt.«
    »Leider nicht.«
    Er sprang von seinem Strohlager auf und stürzte zur Tür. »Miriam!«
    »Schsch. Wirst du wohl leise sein«, zischte sie eindringlich.
    Alan lehnte die Stirn an die rauen Holzbohlen der Tür und kniff die Augen zu. »Miriam«, flüsterte er.
    »Moses hat mir erzählt, dass du zurückgekommen bist«, kam die Stimme durch die Tür. Körperlos, aber dennoch durchrieselte ihn ein Glücksgefühl, dessen Heftigkeit ihm beinah Angst machte.
    »Ja.«
    »Und du hast deinen richtigen Namen herausgefunden. Das ist wunderbar.«
    »Ich bin nicht sicher«, gestand er der Tür im Flüsterton. »In den letzten Wochen musste ich oft an die Dinge denken, die du zu mir gesagt hast. Vielleicht wäre es besser für mich und auch für meine Familie gewesen, wenn ich nie nach Helmsby zurückgekehrt wäre, sondern mich selbst erfunden hätte, wie du sagtest. Dann wäre uns allen mancher Kummer erspart geblieben.«
    »Warum?«
    »Weil ich nicht mehr der bin, der ich war. Und das enttäuscht die Menschen, die mich früher kannten.«
    »Ich habe von Alan of Helmsby gehört«, eröffnete Miriam ihm unerwartet.
    »Wirklich?« Er war erschrocken. Er stellte fest, dass er sich der Dinge schämte, die sie gehört hatte, obwohl er nicht wusste, was es war. Er schämte sich vor allem, weil er keine Kontrolle über seine Vergangenheit hatte. »Gewiss nicht viel Gutes.«
    »Doch«, widersprach sie. »Er hat die Juden von Worcester vor der Plünderung bewahrt. Er ist ein Freund des jüdischen Volkes.«
    Er atmete auf. »Endlich habe ich also etwas gefunden, was ich mit diesem Alan of Helmsby gemein habe.«
    Er hörte ihr schönes, warmes Lachen, und mit einem Mal musste er die Arme um den Oberkörper schlingen, weil es unerträglich war, dass er Miriam nicht an sich ziehen konnte.
    »Wie ist deine Schwägerin?«, fragte er.
    »Sie … sie ist sehr klug und gütig. Vor allem zu Moses, und dafür bin ich dankbar. Er vermisst unsere Mutter so sehr. Esther tut alles, um sie ihm zu ersetzen.«
    »Ich nehme an, das heißt, zu ihm ist sie honigsüß und dich lässt sie jeden Tag spüren, dass sie jetzt die Frau im Haus ist und du nur eine unverheiratete dumme Gans?«
    Es war eine Weile still auf der anderen Seite der Tür. Dann schalt sie ihn: »Es ist sehr ungehörig, solche Dinge von der Frau meines Bruders zu sagen.« Er sah vor sich, wie sie den Kopf hob – unwissentlich die volle Länge ihres unglaublichen Schwanenhalses zur Geltung brachte – und die Tür mit ihrem königlichen

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