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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Missfallen traktierte.
    »Aber wahr?«, bohrte er unbeirrt weiter.
    Auf der anderen Seite war es wieder einen Moment still. Dann sagte sie: »Ich muss jetzt gehen.« Aber es klang nicht verstimmt.
    »Kommst du morgen Nacht wieder?«
    »Wenn ich kann.« Er glaubte, leises Rascheln von Stoff zu vernehmen und den gedämpften Laut von nackten Füßen auf Holzdielen. Dann trat Stille ein.
    In der darauffolgenden Nacht gestand sie ihm, dass er recht gehabt habe, und redete sich alles von der Seele, was sie hatte erdulden müssen, seit ihr Bruder David seine Frau ins Haus gebracht hatte. Vermutlich ging das nur wegen der verschlossenen Tür zwischen ihnen, nahm Alan an. Darum hingen viele Priester bei der Beichte ein Tuch zwischen sich und den Bußfertigen auf: Es war leichter, seine Bekenntnisse einer gesichtslosen Präsenz anzuvertrauen. Miriam weinte nicht, und sie gestattete sich auch nicht, hasserfüllt von ihrer Schwägerin zu sprechen, aber Alan gewann ein lebhaftes Bild von den kleinen Kränkungen und Nadelstichen, die natürlich nie vor Zeugen stattfanden. Von dem Verlust ihrer Stellung, von ihrer Einsamkeit, dem Gefühl, eine Gefangene zu sein.
    »All das wird vorbei sein, wenn du heiratest«, zwang er sich zu sagen. »Es ist der einzige Ausweg.«
    »Ich weiß.«
    »Sprich mit deinem Vater«, riet er.
    »Das ist nicht so leicht, wie es sich anhört. Er ist sehr kühl zu mir. Deinetwegen.«
    »Das tut mir leid, Miriam …«
    »Oh, sei nicht so zerknirscht.«
    Er konnte kaum glauben, dass sie ihn neckte. »Du solltest ihm sagen, dass alles meine Schuld war.«
    »So war es aber nicht.«
    »Was spielt das für eine Rolle? Er ist so schlecht auf mich zu sprechen, dass es keinen Unterschied macht.«
    »Für mich macht es einen Unterschied.« Es klang so trotzig, dass er verdutzt den Mund hielt, sodass sie fortfahren konnte: »Mein Vater liebt mich, das weiß ich, aber er versteht mich nicht. Er kann einfach nicht begreifen, dass ich unter einem guten Mann nicht unbedingt das Gleiche verstehe wie er, dass ich die Männer, die er in Betracht zieht, nicht heiraten kann. Nicht nach dem, was mit Gerschom geschehen ist, meinem Verlobten. Für ihn gibt es nur Juden und Nichtjuden. Dass man aber auch als Jude einem Land und seinen Menschen verbunden sein kann, will er nicht zulassen. Er nennt es gefährlich.«
    Er verstand längst nicht alles, was sie da sagte, aber in dem letzten Punkt hatte Josua vermutlich recht, wenngleich Alan die Erkenntnis nicht gefiel: Dies war ein christliches Land, und die Christen begegneten den Juden mit zu viel Misstrauen. Darum waren die Juden sicherer, wenn sie unter sich blieben.
    »Mein Onkel Ruben ist ganz anders«, eröffnete sie ihm zu seinem Erstaunen. »Er denkt so wie ich. Sie streiten manchmal deswegen.«
    Dein Onkel Ruben ist von heute an mein bester Freund, dachte Alan. Mein allerallerbester, wie Oswald sagen würde. »Und wie wär’s mit mir?«, murmelte er in den Türspalt. »Würdest du mich heiraten?«
    Sie schwieg einen Moment. Dann kam ein atemloses: »Was ?«
    »Würdest du mich heiraten?«
    »Das fragst du, weil du deine Vergangenheit vergessen hast. Wüsstest du, wer du bist, käme die Vorstellung dir absurd vor.«
    »Ich frage, weil ich gern die Antwort wüsste.« Alan presste das Ohr an den Türspalt und lauschte. Er glaubte, ihren Atem zu hören.
    »Mein Vater erwähnte, du habest eine Gemahlin«, sagte sie schließlich.
    »Oh ja. Ich wette, dass er sie erwähnt hat. Angenommen, es gäbe sie nicht. Angenommen, ich hätte mein Gedächtnis nicht verloren oder fände es wieder und könnte ein normaler Mann sein. Würdest du mich heiraten, obwohl ich kein Jude bin?«
    »Oh, Alan.« Er hörte sie lächeln. »Das ist eine müßige, törichte, obendrein eitle Frage.«
    »Ja oder nein?«
    »Wozu willst du das wissen?«, konterte sie; es klang beinah ein wenig ärgerlich.
    »Wenn ich dir das sage, und deine Antwort lautet ›Nein‹, stehe ich da wie ein Narr.«
    »Und wenn ich ›Ja‹ sage, du aber nur meine Unerfahrenheit ausnutzen willst, um mich ins Unglück zu stürzen, wie mein Vater unterstellt, dann wäre ich die Närrin.«
    »Ich bin vollkommen harmlos, solange eine versperrte Tür zwischen uns ist«, beteuerte er. »Im Übrigen werden wir mit unserer Unterhaltung nicht weiterkommen, wenn nicht einer von uns wagt, dem anderen zu vertrauen, obwohl er ein Ungläubiger ist.«
    »Also dann, furchtloser Alan of Helmsby: Warum stellst du mir diese törichte Frage, wo es doch

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