Hiobs Brüder
zu machen, dass »Losian«, der in Oswalds Vorstellung in etwa so allmächtig und weise wie Gott war, hatte fortgehen müssen, weil ihm keine andere Wahl geblieben war. Weil er einmal etwas für sich selbst hatte tun müssen, ohne das Wohl seiner Gefährten über das eigene zu stellen. Nun sprach Oswald so gut wie gar nicht mehr, starrte stumpfsinnig vor sich hin, weinte viel und war nur unter Strafandrohung zu bewegen, zur Arbeit zu gehen. Simon war froh, dass Alan ihn nicht so sah.
Und Regy hatte Alans Verschwinden zum Anlass genommen, sich von seiner abscheulichsten Seite zu zeigen. Er weigerte sich, sich zu bekleiden und den Eimer für seine Notdurft zu benutzen. Er gebärdete sich wie ein Besessener, sobald er ein Publikum hatte, und sagte grauenhafte Dinge zu jedem, der sich in seine Nähe wagte. Die Wachen hatten mit Meuterei gedroht, wenn ihnen weiterhin befohlen wurde, das Turmzimmer zu betreten. So waren es Simon, King Edmund und die Zwillinge, die sich dieses zweifelhafte Vergnügen teilen mussten.
Metcombe war ein hübsches Dorf am Ufer des Ouse, dessen Katen sich um die kleine St.-Guthlac-Kirche schmiegten und bis an den Waldrand drängten. »Es ist über die letzten Generationen ordentlich gewachsen«, erklärte Guillaume. »Vor der Eroberung kamen alle naselang die Dänen und brannten es nieder. Seit das vorbei ist, gedeiht Metcombe.« Er sprach mit Befriedigung. Wie ein Landmann, der ein gut bestelltes Feld betrachtet. Das Wohlergehen der Menschen, die zu Alans Ländereien gehörten, war ihm wie jedem guten Steward eine Herzensangelegenheit.
Und offenbar wussten diese Menschen ihn zu schätzen. Als Guillaume und Simon Seite an Seite die schmale Dorfstraße entlangritten, grüßten die Frauen und Kinder in den Gärten und winkten ihnen zu.
Guillaume ritt bis zur Uferwiese, vorbei an einer großen Mühle und weiter zur Schmiede. Dort saß er ab und band sein Pferd an einen Apfelbaum. Simon folgte seinem Beispiel. In der Werkstatt, die zur Linken nahe am Ufer stand, sang kein Hammer, darum hielt der Steward auf das kleine Wohnhaus zu. »Cuthbert?«, rief er, und ohne eine Antwort abzuwarten, stieß er die Tür auf.
Wie so viele Schmiede war Cuthbert ein Bär von einem Mann, und wie so viele Schmiede betonte er seine unglaublichen Muskeln mit einem etwas zu eng geschneiderten Obergewand. Er saß mit dem Rücken zur Tür am Tisch, doch als er die Stimme hörte, wandte er sich halb um. »Guillaume!« Ein Lächeln tauchte in seinem struppigen Bart auf und zeigte schiefe, aber gesunde Zähne. »Wen bringst du uns da?«
»Simon de Clare, einen von Lord Alans Gefährten.«
Cuthbert nickte dem fremden Normannen zu. »Kommt rein und nehmt Platz.«
Er hielt ein Kind auf dem Schoß, erkannte Simon, als er näher trat: ein kleines Mädchen mit weizenblonden Locken, die so weich wie Entendaunen aussahen, und einem hinreißend schönen Gesicht. Der kleine rote Mund war verschmiert, und auf dem Tisch stand eine Schale Brei. Der Schmied tauchte den hölzernen Löffel ein und fütterte die Kleine – erstaunlich geschickt für einen Mann mit so großen Händen.
»Nehmt euch ein Bier«, lud er seine Gäste ein und gestikulierte entschuldigend mit dem Löffel. »Ich kann gerade nicht.«
Guillaume kannte sich offenbar gut in dieser Küche aus. Er trat an den Herd, nahm drei Becher vom Bord, öffnete auf Anhieb das richtige von mehreren Fässern am Boden und schöpfte mit einer Kelle Bier in die Gefäße. Simon nahm ihm zwei ab, trug sie zum Tisch und setzte sich, während der Steward ihm mit dem letzten Becher folgte.
Der Schmied legte den Löffel in die Schale, hob seinen Becher den Gästen entgegen und trank einen ordentlichen Zug. Dann wischte er sich mit dem Unterarm über den Mund, nahm den Löffel wieder auf und sagte zu seiner Tochter: »Du bist ein Nimmersatt, Blümchen. Gott weiß, wenn es nach dir ginge, brächte ich den ganzen Tag damit zu, dich mit Milch und Brei zu mästen.«
Sie kicherte, schmiegte sich vertrauensvoll in den Keulenarm, der sie hielt, sperrte den Mund auf und richtete den Blick auf Simon.
Dem stockte beinah der Atem. Die Augen des Kindes waren weder blau noch grün, groß und umrahmt von dichten, blonden Wimpern. Es war Alan of Helmsby, der ihn aus diesen Augen anschaute.
»Wie kommst du zurecht?«, fragte Guillaume den Schmied.
Der deutete ein Schulterzucken an. »Ganz gut. Der Knirps ist bei meiner Schwester. Die hat selbst gerade einen bekommen und säugt sie nun beide. Meine
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