Hiobs Brüder
kopfschüttelnd. »Bei allem Respekt, Josua, aber das klingt wie …«
»Ja?«
Ein Haufen Kuhscheiße, würde mein Cousin Henry sagen. »Welcher vernünftige Mann könnte glauben, allein die Verantwortung für einen Krieg zu tragen? Kaiserin Maud und Stephen und der König von Schottland haben ihn begonnen. Die Lords, die ihren Treueid an Maud gebrochen haben – zu denen auch Stephen zählte −, haben ihn verschuldet. Nicht ich.« Das Hämmern hinter der Stirn hatte sich verschlimmert, und er hob die Linke aus dem Wasser, um sich einen Moment die Schläfe zu massieren.
»Ich habe nicht gesagt, dass es so ist, sondern dass es das ist, was Alan of Helmsby tief in seinem Herzen glaubt.«
»Welch ein eingebildeter, eitler Schwachkopf, dass er denkt, er könnte solche Macht besitzen.«
»Was immer er sonst sein mag, er ist keinesfalls ein Schwachkopf.« Josua nahm seinen Arm. »Genug gebadet. Ihr müsst Euch hinlegen und schlafen. Morgen kehren wir zurück in den Palmenhain und sehen, welche Geheimnisse wir Alan of Helmsby noch entlocken können.«
Furcht legte sich auf Alans Herz wie die sachte Berührung eines eiskalten Fingers. »Ich kann’s kaum erwarten.«
Helmsby, Juni 1147
Guillaume FitzNigel war wie die meisten Männer des niederen Landadels gemischter Abstammung, aber so normannisch sein Name auch klang, war er doch mit Leib und Seele Engländer. Simon hatte ihn auf Anhieb gemocht, und erst mit einigen Tagen Verspätung ging ihm auf, woran das lag: Guillaume erinnerte ihn an Wilbert. Unter Gewissensbissen erkannte der junge Normanne, dass er seit Wochen kaum an seinen armen ermordeten Steward gedacht hatte, der doch aus Treue zu ihm solche Qualen gelitten hatte. Auch der Schmerz über Edivias Verrat, der ihn anfangs so niedergedrückt hatte, war nur noch ein schwacher Nachhall, genau wie sein Heimweh nach Woodknoll.
»Helmsby ist ein so wunderbarer Ort, und wir haben es hier so gut angetroffen, dass ich anfange, mein gestohlenes Zuhause zu vergessen«, gestand er Guillaume. »Das ist nicht gut.«
»Nein, wahrscheinlich nicht«, stimmte der Steward zu. »Aber es würde dir auch nichts nützen, dich Nacht um Nacht in den Schlaf zu heulen. Es ist vernünftig, die Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann. Und irgendwann kommt Alan nach Hause, und dann wird er dir helfen, dein Woodknoll zurückzubekommen. Du wirst sehen.«
Sie ritten Seite an Seite zwischen den Feldern entlang, wo Weizen, Roggen und Gerste in üppigem Grün leuchteten. Das Korn sorgte jetzt bis zur Ernte für sich selbst, und das war gut so, denn die Bauern waren mit dem Heu und der Schur mehr als gut beschäftigt.
»Du klingst, als wärst du dir sicher, dass er zurückkommt.«
Guillaume nickte. »Wenn er sich erinnert, kommt er zurück. Er liebt Helmsby. Und war völlig hingerissen von seiner hübschen Burg.«
»Ja.« Simon seufzte neiderfüllt. »Das wäre ich auch. Wohin reiten wir?«
»Nach Metcombe. Noch ein Stück durch den Wald, dann sind wir da.«
Simon richtete den Blick auf den Widerrist seines Pferdes, als der Pfad in den Schatten der Bäume eintauchte.
Das entging Guillaume nicht. »Was ist los, mein Junge? Angst vor Waldgeistern?«
Simon lachte in sich hinein. »Die Waldgeister in East Anglia können nicht halb so durchtrieben sein wie unsere in Lincolnshire. Nein. Ich habe die Fallsucht, Guillaume, und das Glitzern der Sonne zwischen den Blättern ist gefährlich für mich.«
»Ah. Was muss ich tun, wenn du mir vom Gaul fällst und anfängst zu zucken?« Es klang eher unbehaglich als gehässig.
»Warte ein Weilchen. Es vergeht. Und es ist bei Weitem nicht so schlimm, wie es aussieht.«
»Du trägst es mit Fassung, merke ich.«
»Wie du sagtest: Es nützt nichts, sich Nacht um Nacht in den Schlaf zu heulen. Früher hat es mich sehr verbittert«, räumte er ein. »Vor allem, als diese verdammten Mönche mich auf eine Insel voller Narren gesperrt haben. Oder jedenfalls dachte ich das. Aber gerade diese Narren haben mich gelehrt, dass es Schlimmeres gibt als die Fallsucht.«
»Hm. Und jetzt, wo Alan sich verdrückt hat, hast du sie am Hals, deine Narren. Ich beneide dich nicht.«
Simon gab keinen Kommentar ab.
Die meisten seiner Gefährten hatten ein solches Ausmaß an Verständnis für Alans Flucht gezeigt, dass es ihn verblüfft hatte. Nur Oswald nicht. Der arme Oswald war in ein Jammertal der Verlorenheit gesunken. Er fühlte sich verlassen und verraten. Es war ihnen bislang nicht gelungen, ihm begreiflich
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