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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Rändern unscharf.
    Josua ließ sich zurück gegen die Wand sinken. »Alan?«
    »Ja.«
    »Schließ die Augen, mein Sohn.«
    Die Lider klappten zu.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Sagenhaft …«
    »Ich möchte, dass du so tief einatmest, wie du kannst, die Luft einen Moment anhältst, dann wieder ausatmest. So ist es gut. Noch einmal. Und jetzt noch einmal. Gut so. Und jetzt noch einmal von vorn. Einatmen. Anhalten. Ausatmen … Was siehst du?«
    »Miriam.«
    »Sie können wir hier im Moment leider nicht gebrauchen, denn sie ist die Gegenwart, nicht die Vergangenheit. Schick sie weg. Aber höflich, wenn ich bitten darf.«
    Geh, meine wunderbare Miriam. Aber warte auf mich. Ich komme wieder …
    »Was siehst du nun?«
    Die Wüste.
    »Gut.«
    Josua ben Isaac, nicht der maskierte König von Jerusalem, stand auf der sandigen Anhöhe, und er kam zu dem dürstenden Wanderer herab und legte ihm freundschaftlich die Hand auf den Arm. Sanft drehte er ihn um. Gar nicht weit entfernt stand ein Palmenhain.
    Was ist das, Palmen ?
    »Bäume mit hohen, schlanken, sacht gebogenen Stämmen und einer Krone aus dicken Blättern wie übergroße Farnwedel. Sie wachsen in heißen Ländern und bringen wunderbare Früchte hervor, Datteln zum Beispiel.«
    Josua führte ihn in den Palmenhain, und eine angenehme, schattige Kühle umfing sie. Nicht weit entfernt hörte man Wasser rieseln. Ein schmaler, weicher, sandiger Pfad führte abwärts, und sie folgten ihm, immer tiefer zwischen die fremdartigen Bäume, immer weiter hinab, bis sie eine kleine Senke mit einer felsigen Grotte erreichten. Wasser plätscherte sacht in einen klaren See. Am Ufer setzten sie sich auf den sonnenwarmen, hellen Fels und tranken. Das Wasser war süß und wohlschmeckend. Libellen flirrten über der blauen Oberfläche.
    »Wie gefällt dir dieser Ort?«
    Er ist wunderschön. So warm und still und verborgen.
    »Man fühlt sich gut aufgehoben hier, nicht wahr?«
    Wie in Abrahams Schoß.
    »Dann verweile ein wenig, mein Sohn.«
    Und so saß Alan an diesem verwunschenen Ort, ließ die Füße im klaren Wasser baumeln und erging sich in schläfrigem Wohlbehagen, bis sein Cousin Haimon aus dem Schatten der fremdartigen Bäume trat. Es war eine kleine Ausgabe von Haimon, vielleicht zehn Jahre alt, das Gesicht mit den dunklen Augen war blass und schmal, umrahmt von hübschen braunen Locken. Unter dem Arm trug er einen verschrammten Lederball. Er blutete aus einer Platzwunde über der Augenbraue, und Zornestränen liefen ihm über die Wangen.
    Tut mir leid, Haimon. Ich hab’s nicht mit Absicht getan.
    Das hast du wohl ! Du tust es immer mit Absicht ! Vor Großmutter gibst du vor, du könntest keiner Fliege etwas zuleide tun, aber sobald sie wegschaut, lässt du keine Gelegenheit aus, mir eins auszuwischen.
    Das ist nicht wahr …
    Es ist wahr. Du kommst dir ja so großartig vor, weil du jünger bist als ich und trotzdem stärker. Und weil Helmsby dir gehört und mir nicht. Du meinst, du stehst so hoch, du kannst dir alles erlauben. Dabei hast du deine Eltern auf dem Gewissen, alle beide. Deine Mutter hast du bei deiner Geburt umgebracht, und dein Vater ist ertrunken, weil er es nicht abwarten konnte, zu ihr zurückzukehren, denn er wusste, dass du bald kommen würdest. Du bist ein Mörder, Alan. Und dafür kommst du in die Hölle … Da, siehst du ?
    Die versteckte Oase verschwamm wie nasse Tinte auf Pergament, und als das Bild wieder klar wurde, hatte es sich vollkommen verändert. Aus der sonnenbetupften Grotte war eine finstere Höhle geworden. Eine riesenhafte, abscheuliche Kreatur kam aus der gähnenden Öffnung gekrochen, halb Drache, halb Wurm, mit schuppiger Haut und drei grauenvollen Hörnern auf dem Kopf. Sie öffnete ihr gefräßiges Maul, entblößte zwei Reihen Zähne, die wie Schwerter aussahen, die krumm und schief aus den Kiefern ragten, und was sie spie, war kein Feuer, sondern irgendein widerliches schwarzes Zeug.
    Galle, wusste er. Das war schwarze Galle.
    Er wollte sich abwenden und fliehen, aber es ging nicht, denn er war gefesselt, und ganz gleich, wie er sich aufbäumte und zerrte, er konnte sich nicht befreien.
    Dann streckte der Höllenwurm seinen langen Hals aus, und die unbeschreiblich widerwärtige zähe Galle ergoss sich über den Kopf des Gefesselten, als habe jemand einen Eimer über ihm geleert. Er fing an zu würgen, und als die Schwerterzähne niederfuhren, fing er an zu schreien. Aber es half ihm nichts. Der Schlund der Hölle verschlang ihn, und

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