Hiobs Brüder
Nachbarinnen bekochen und bemuttern mich. Die Kleine nehme ich mit in die Schmiede, damit ich sie im Auge haben kann. Kein guter Platz für so ein kleines Kind, zu gefährlich eigentlich, aber ich will sie nicht weggeben. Ich wäre zu einsam. Na ja. Langsam gewöhnen wir uns dran, stimmt’s, Blümchen?«
Er machte gute Miene zu einem sehr bösen Spiel, ahnte Simon und war nicht überrascht, als Guillaume ihm erklärte: »Cuthbert ist im Januar verwitwet. Seine Frau starb im Kindbett.«
»Das tut mir leid, Cuthbert«, sagte Simon ernst.
Der Schmied nickte, trank einen Schluck und kratzte die Breischale leer. »Lord Alans Gefährte, he?«, fragte er mit einem etwas säuerlichen Lächeln. »Immerhin. Aber wann beehrt er uns selbst? Oder gibt es hier irgendwas, das ihm neuerdings peinlich ist?«
Simon beobachtete ungläubig, wie der bärtige Mann mit dem Finger auf das Kind zeigte. Cuthberts Unverblümtheit erschien ihm außergewöhnlich, selbst für einen Angelsachsen.
Guillaume schüttelte den Kopf. »Er ist schon wieder fort. Er ist …« Er brach unsicher ab.
»Ein bisschen wunderlich geworden, hört man«, beendete der Schmied den Satz für ihn. Ein gewisses Maß an Häme war nicht zu überhören.
Guillaume schien zu überlegen, wie er antworten sollte, und Simon überraschte sich selbst, als er sich sagen hörte: »Er hat das Gedächtnis verloren. Und hier zu sein oder vielmehr in Helmsby, an dem Ort, wohin er gehört, ohne sich an irgendwen oder irgendetwas erinnern zu können, war unerträglich für ihn. Aber er hat die übrigen Gefährten und mich vor dem Verhungern bewahrt und sicher von Nord Yorkshire hierhergeführt. Nein, er ist nicht wunderlich geworden, Cuthbert. Gott hat ihm nur einen ziemlich üblen Streich gespielt, das ist alles.«
Der Schmied betrachtete den jungen Normannen mit neuem Interesse, und nach einer Weile erwiderte er: »Ja, Gottes Streiche können einen Mann in die Knie zwingen.« Dann fragte er den Steward: »Bist du gekommen, um deinen neuen Dolch abzuholen? Er ist noch nicht fertig, fürchte ich. Ich bin mit der Arbeit hoffnungslos im Rückstand.«
Guillaume winkte ab. »Der Dolch hat keine Eile. Wie kommt ihr mit der Schur voran?«
»Langsam. Man kann merken, dass uns über den Winter zwanzig kräftige Männer und Jungen weggestorben sind, ihre Arbeitskraft fehlt überall. Und immer mehr Männer fahren jetzt zum Fischen auf den Fluss, weil sie gelernt haben, dass die Leute in der Stadt ein Vermögen für guten Räucherfisch bezahlen. Ich sag ihnen, sie dürfen die Herden nicht vernachlässigen, denn Wolle ist krisensicher, aber nach diesem grauenvollen Winter sind alle versessen darauf, genug Geld zu verdienen, um endlich einmal etwas beiseitelegen zu können. Wer immer nur von der Hand in den Mund lebt, sieht jeden Winter dem Tod ins Auge. Es ist kein Wunder, dass sie versuchen, ihr Leben und das ihrer Kinder ein bisschen sicherer zu machen.«
»Nein, das ist wahr«, stimmte Guillaume vorbehaltlos zu. »Simon, kannst du Schafe scheren?«
Simon war verblüfft, nickte aber. »Sicher.« Woodknoll war nur ein kleiner Besitz, wo der Gutsherr es sich nicht leisten konnte, zur Falkenjagd zu reiten, während seine Bauern sich die Hände für ihn schmutzig machten. Simon hatte angefangen, auf dem väterlichen Gut zu arbeiten, sobald er laufen konnte.
»Und wärst du gewillt, hier mit anzupacken?«
Simon konnte sich etwas Besseres vorstellen, womit er diesen herrlichen Tag verbringen könnte, aber er verstand, dass Guillaume ihn mit hergenommen hatte, um den Bauern und Fischern von Metcombe klarzumachen, dass man sie in Helmsby nicht vergessen hatte. In gewisser Weise war Simon als Alans Stellvertreter hier. Es war keine Rolle, die er sich ausgesucht hätte, wäre er gefragt worden, aber er fing an, sich daran zu gewöhnen. »Natürlich, Guillaume.«
Der Steward lächelte ihm dankbar zu. »Dann machen wir uns gleich mit an die Arbeit. Aber vorher sag mir noch, Cuthbert, wie geht es dem alten Æthelwold?«
Während er und der Schmied die jüngsten Ereignisse im Dorf besprachen, rutschte das kleine Mädchen vom Knie seines Stiefvaters, kam ohne alle Scheu zu Simon herüber und streckte ihm die schmuddeligen Hände entgegen. Man konnte sehen, dass dieses arme Kind den Großteil seiner Tage in einer Schmiede verbrachte.
Simon war ohne Geschwister aufgewachsen und hatte kaum Erfahrung mit kleinen Kindern. Er hatte im Allgemeinen auch nicht viel für sie übrig, erst recht nicht,
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