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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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unüberhörbar. »Dann her damit.« Simon gab ihr den Brief zurück, und sie las vor: » Ruben ben Isaac an Lady Matilda of Helmsby, Grüße. Ich nehme an, Ihr vermisst einen Enkel. Er hat uns zu verstehen gegeben, er wünsche nicht, dass irgendwer in Helmsby von seinem Aufenthaltsort erfährt, aber da meine Freundschaft für Euch weit älter ist als die für ihn, war es mir ein Anliegen, Eure Sorge zu zerstreuen : Er befindet sich in diesem Haus und in der Obhut meines Bruders. Ich kann nicht aufrichtig behaupten, dass es ihm wohl ergeht, denn sein Gemüt ist verdüstert, und mein Bruder ist ein gnadenloser Schinder, wenn er einen Kranken zu heilen versucht. Aber der junge Alan ist widerstandsfähig, will mir scheinen. Also seid beruhigt. Und gestattet mir, Euch einen Rat zu erteilen : Schickt nicht nach ihm. Wenn es einen Arzt auf der Welt gibt, der ihm helfen kann, ist es vermutlich mein Bruder, aber es braucht Zeit, wie Josua sich und uns jeden Tag vor Augen führt. Ich bete, dass seine Mühen von Erfolg gekrönt sein mögen, und verbleibe Euer ergebener Freund, der hier einen Ballen persischen Brokat liegen hat, der Euren Augen beinah gerecht wird und den er Euch gern zu Füßen legen würde. – Frecher Schmeichler«, fügte sie nahtlos an. »Ich bin alt genug, um deine Mutter zu sein …« Sie brummte, aber das winzige Lächeln verriet sie: Rubens Tändelei erheiterte sie.
    Simon schüttelte fassungslos den Kopf. »Ihr kennt die Juden von Norwich, Madame?« Er hatte Josua und seine Familie schätzen gelernt und war ihnen dankbar für alles, was sie für die Gefährten getan hatten, aber ein klein bisschen peinlich war ihm die Episode dennoch. Er war zum Beispiel nicht sicher, ob er seinen Freunden daheim in Woodknoll davon erzählt hätte.
    »Ein paar«, antwortete Matilda. »Ich habe schon früher in Winchester bei Rubens Vater die Stoffe für meine Garderobe gekauft. Das ist zwar verboten, aber für mich hat er eine Ausnahme gemacht. Rubens Großvater war ein Freund meiner Eltern. Ein Heiler, genau wie Rubens Bruder.« Dann tippte sie auf den Brief und sah Simon scharf an. »Hast du das gewusst?«, fragte sie.
    Er versuchte erst gar nicht zu leugnen. »Nicht gewusst, Madame. Aber geahnt, ja.«
    »Und du bist nicht auf die Idee gekommen, mir einen Ton zu sagen, damit ich nachts nicht wach liegen und mich zu Tode grämen muss, nein?«
    Mit einem Mal wurde Simon wütend. Er war es satt, den Kopf für Alan und dessen Sünden hinzuhalten. »Noch seid Ihr ja ganz munter, scheint mir«, konterte er flegelhaft. »Im Übrigen war es seine Entscheidung, Euch im Dunkeln zu lassen, und ich nehme an, er hatte seine Gründe, die ich nicht kenne, aber respektiere.«
    Nun war es an Matilda, verdutzt zu sein. Aber sie sammelte sich sogleich wieder. »Da sieh mal einer an. Du bist doch kein Lämmchen, wie ich zu befürchten anfing, Simon de Clare.«
    »Nein. Aber diese Erkenntnis ist für mich auch noch neu«, gestand er.
    Matilda lächelte vor sich hin. »Nichts kann einem so die Augen über das eigene Selbst öffnen wie ein paar Schicksalsschläge, nicht wahr«, murmelte sie. Dann blickte sie versonnen auf den bedauernswerten Märtyrer in ihrer Stickerei hinab und kam schließlich zu einer Entscheidung. »Also schön. Wir lassen Alan unbehelligt. Fürs Erste. Und ich schlage vor, dass wir diesen Brief Haimon und Susanna und am besten auch allen anderen verschweigen, auf dass das Geheimnis sich nicht wie ein Schilffeuer in Helmsby verbreite.«
    Simon und Guillaume stimmten erleichtert zu. Dann wechselte Letzterer das Thema. »Wir waren in Metcombe. Und Ihr werdet nicht glauben, was passiert ist, Lady Matilda: Das Kind hat gesprochen.«
    »Agatha?«, fragte sie.
    Guillaume nickte und wies auf Simon. »Er hat sie auf den Schoß genommen, sie nach ihrem Namen gefragt, und sie hat geantwortet. Einfach so.«
    Matilda schlug die Hände zusammen, und die blauen Augen leuchteten. »Habe ich nicht immer gesagt, mit dem Kind sei alles in Ordnung?« Aber ihre offenkundige Erleichterung verriet, wie groß ihre Zweifel gewesen waren. »Alan hat auch erst mit zwei angefangen zu sprechen. Den Mund nur dann aufzumachen, wenn man etwas zu sagen hat, ist nicht die schlechteste Gabe, die ein Vater seinem Kind vererben kann.«
    »Wie dem auch sei. Ich schlage vor, dass wir auch das Susanna und Haimon verschweigen«, riet Guillaume.
    »Das wäre gewiss das Beste«, stimmte die alte Dame zu. »Ich wünschte, Haimon verschwände endlich aus

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