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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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neuen, frischen Blick erkannte er, wie viele Details seiner Burg der seines Onkels Gloucester nachempfunden waren. Er konnte sich nicht erinnern, sie bei der Planung bewusst zum Vorbild genommen zu haben, aber die Anordnung der Wirtschaftsgebäude, die Anlage der Torhäuser und vor allem der Donjon glichen denen in Bristol.
    Er erwiderte den Gruß der Wachen mit so untypischer Leutseligkeit, dass die beiden Männer verdutzte Blicke tauschten, stürmte die Treppe hinauf und betrat seine Halle. Die meisten der Burgbewohner hatten sich schon eingefunden, denn es war Zeit fürs Nachtmahl. Die Mägde füllten Schalen aus dampfenden Kesseln, Brotlaibe wanderten herum. Auf dem Weg an die hohe Tafel nickte Alan den Menschen zu, die ihn teils erfreut und teils mit etwas misstrauischer Zurückhaltung begrüßten, und schließlich verneigte er sich formvollendet vor seiner Großmutter. »Madame.«
    »Sieh an.« Es klang frostig, aber immerhin sprach sie wieder mit ihm. Es schien gar, als bereite es ihr Mühe, ihn so strafend anzuschauen, wie sie für angemessen hielt. »Und darf man fragen, wo du gewesen bist?«
    »In Norwich. In Bristol. Hier und da.« Aus dem Augenwinkel sah er Susanna, die reglos auf ihrem Platz neben Lady Matilda saß, aber er schaute sie nicht an. Eins nach dem anderen, schärfte er sich ein.
    »Ich hoffe, du hast gefunden, was immer du dort gesucht hast«, sagte seine Großmutter.
    Er sah ihr in die Augen. »Denk nur, das hab ich tatsächlich.«
    Simon, der ein Stück weiter links mit den drei Brüdern aus Ely an der hohen Tafel saß, legte eine Hand vor den Mund und murmelte: »Du hast dich erinnert. Du hast dein Gedächtnis wiedergefunden.«
    Alan trat zu ihm und nickte.
    Simon ließ die Hand sinken. »Der Herr sei gepriesen.« Er schüttelte mit einem verwunderten und seltsam scheuen Lächeln den Kopf.
    »Amen«, murmelte Bruder Cyneheard. Oder vielleicht war es auch Bruder Elias. »Wir haben nie nachgelassen, für Eure Genesung zu beten, Mylord.«
    »Das weiß ich zu schätzen, Bruder«, versicherte Alan. Er bemühte sich, jeden Anflug von Hohn aus seiner Stimme zu halten, dachte jedoch: Wenn ihr hofft, dass ich deswegen fortan ein großzügiger Gönner eures Hauses sein werde, dann steht euch eine Enttäuschung bevor. Es wird viel Zeit vergehen, ehe ich mein Wohlwollen wieder einem Kloster schenken kann …
    Er vergaß den Mönch, blickte wieder auf seinen jungen Gefährten hinab und erkannte, was es war, das Simon mit einem Mal so zu schaffen machte. »Ich bin kaum zurück, und schon willst du mich so grässlich beleidigen, indem du an mir zweifelst, Simon de Clare?«, fragte er leise.
    Der junge Mann senkte beschämt den Blick, sah aber sofort wieder hoch. »Du bist genesen. Und denk ja nicht, ich wäre nicht von Herzen glücklich darüber. Aber …«
    Du bist keiner von uns mehr . Alan hörte es beinah, so deutlich stand es Simon ins Gesicht geschrieben.
    »Das ändert nichts an den Dingen, die wir gemeinsam erlebt und getan haben«, wandte Alan ein.
    »Nein. Natürlich nicht.« Simon rang sich ein Lächeln ab. »Jedenfalls tut es gut, dich zu sehen. Wenn ich das den anderen erzähle … Oswald wird außer Rand und Band sein über deine Heimkehr.«
    Alan verstand auch, was Simon ihm nicht sagte. »Danke, dass du hier für mich die Stellung gehalten hast. Das werde ich dir nie vergessen. Und ich mach es wieder gut, du wirst sehen.«
    Simon schüttelte den Kopf. »Du schuldest mir nichts.«
    »Ich bin anderer Ansicht. Wir reden später darüber.« Ihre Unterhaltung war im Flüsterton vonstattengegangen, aber dennoch war man in der Halle niemals unbeobachtet und selten unbelauscht. »Geh nur und erzähl es den anderen, wenn du willst. Sagen wir, wir treffen uns eine Stunde nach Sonnenuntergang in der Kirche?«
    »Abgemacht.«
    Alan kehrte an die Mitte der Tafel zurück, wo eilig ein Sessel für ihn aufgestellt worden war, und während Matilda und Guillaume die drei heimgekehrten Ritter begrüßten, nickte Alan seinem Cousin zu. »Haimon.«
    »Alan. Wieder Herr deiner Sinne, ja?« Er war verdächtig blass geworden, und irgendetwas funkelte in seinen verengten Augen.
    Die Erkenntnis, dass es seinem Cousin sehr viel lieber gewesen wäre, er wäre auf immerdar an Geist und Seele verkrüppelt geblieben, bestürzte Alan, aber er wollte verdammt sein, wenn er sich das anmerken ließ. Er zwinkerte Haimon zu. »Enttäuscht?« Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich an seine Frau, und jeder Übermut war

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