Hiobs Brüder
hoffe, du hast keine Einwände, King Edmund.«
Alan legte den Schlauch auf die steinernen Bodenfliesen seiner Kirche, gleich neben Aliesa . Die Zwillinge, ihr Hund, Luke, Simon und King Edmund umringten ihn.
»Keineswegs, mein Sohn. Ich hole den Kelch, und wir trinken auf deine Genesung und Heimkehr.«
»Wie war Norwich?«, fragte Godric neugierig. »Was hat der alte Josua mit dir angestellt, dass du dich erinnert hast?«
»Du siehst ein bisschen dürr und mitgenommen aus«, befand sein Bruder kritisch.
»Mein Bier ist fertig, Alan«, bekundete Luke. »Wie wär’s, wenn ich dir einen Krug davon hole? Das bringt dich im Handumdrehen in Ordnung.«
Alan lächelte und nickte, ohne genau zu wissen, wozu er sein Einverständnis gab, und trat aus ihrer Mitte zu der dicken, mit Zahnornamenten verzierten Säule, in deren Schatten Oswald stand. Den Kopf gesenkt, die Arme demonstrativ vor der Brust verschränkt.
Das sah nicht gut aus.
»Oswald …«
Nichts.
»Ich verstehe, dass du wütend bist, weil ich einfach verschwunden bin, ohne Lebewohl zu sagen. Aber es ging nicht anders, glaub mir. Jetzt bin ich wieder da und …«
»Geh weg«, unterbrach Oswald. Seine Stimme klang ungewohnt tief und heiser.
»Was?«, fragte Alan verdattert.
»Geh weg. Nicht mehr mein Freund.«
Es fühlte sich an wie ein vergifteter Dolch in der Brust. Alan wich unwillkürlich einen Schritt zurück und sah den Jungen betroffen an. »Das kann nicht dein Ernst sein.«
Oswalds Blick sagte mehr als tausend Worte. Es war sein Ernst.
Was fällt dir eigentlich ein, du undankbarer Bengel?, lag Alan auf der Zunge. Ich habe dich aus der Isolation geholt und Sprechen gelehrt. Ich habe dafür gesorgt, dass die, die stärker waren als du, dir deinen Anteil am Essen und deine Decke ließen. Du hättest keine Woche überlebt ohne mich. Ist das alles nichts wert?
Nein, lautete die Antwort natürlich. In gewisser Weise zumindest. Oswald war enttäuscht, sein Vertrauen erschüttert. Das war das Einzige, was er im Moment genau wusste. Er litt, und darum wollte er zurückschlagen.
Alan nahm ihn zaghaft bei der Hand.
Oswald riss sich los.
Die anderen standen dabei und schauten zu, die Mienen bekümmert, aber niemand mischte sich ein.
»Oswald, hör mir zu«, bat Alan.
»Geh weg.«
Alan schüttelte den Kopf. »Das kannst du nicht machen. Du darfst mich nicht einfach wegschicken, nur weil ich etwas getan habe, das dir nicht gefällt. So funktioniert das nicht unter Freunden.«
»Stich gelassen!«, schleuderte Oswald ihm entgegen.
Godric konnte nicht länger an sich halten. »Das stimmt doch gar nicht, Oswald. Er hat uns nicht im Stich gelassen. Er wusste, dass wir ein Dach über dem Kopf und genug zu essen hatten und aufeinander aufpassen würden. Und jetzt ist er zurückgekommen. Du bist ganz schön nachtragend, Kumpel. Aber es war nicht seine Schuld, was Haimon getan hat. Das hätte genauso passieren können, wenn er hier gewesen wäre. Solche Dinge kommen vor, weißt du.«
»Da hat er recht«, stimmte sein Bruder zu. »Das Leben ist kein Festtagsschmaus, Oswald.«
»Was hat Haimon getan?«, fragte Alan, und ihm schwante nichts Gutes.
Luke erzählte es ihm – knapp, aber unverkennbar entrüstet.
Alan war nicht überrascht. Schon bevor sein Gedächtnis zurückgekehrt war, hatte er erkannt, was für ein Mensch sein Cousin war. Und er wusste, der Tag würde kommen, da er irgendetwas wegen Haimon würde unternehmen müssen. Aber dieser Tag war nicht heute. Er sah wieder zu Oswald. »Es tut mir leid. Ich hätte dir das gern erspart. Aber Wulfric und Godric haben recht: Solche Dinge passieren, es ist der Preis dafür, dass wir freie Männer und nicht mehr auf der Insel eingesperrt sind. Ich bin fortgegangen, und das nimmst du mir übel. Du denkst, ich hätte dich im Stich gelassen. Aber ich musste gehen. Das ändert indes nicht das Geringste an meiner Freundschaft zu dir. Es liegt ganz bei dir. Wenn du mir nicht vergeben kannst und nicht mehr mein Freund bist, dann werde ich damit leben müssen …«
»Wärst du traurig?«, unterbrach Oswald.
»Natürlich.«
»Ganz traurig? So, dass du weinen musst?«
Sieh an, du hast das Sprechen also doch nicht verlernt, fuhr es Alan durch den Kopf. Es war nur verschüttet, wie mein Gedächtnis. »Ja.« Er war nicht einmal sicher, dass es gelogen war.
Oswald geriet sichtlich ins Wanken. Zum ersten Mal sanken die trotzig verschränkten Arme herab, und er dachte nach.
Alan ließ ihm Zeit.
King Edmund brachte
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