Hiobs Brüder
kommt, da du vor Gott Rechenschaft ablegen musst, kommen die Sünden deiner Jugend zurück, um dir den Schlaf zu rauben. Du warst immer ein frommer Mann, Alan. Ich habe Mühe, zu glauben, dass du nur für eine Frau Gottes Zorn riskieren willst.«
Alan dachte darüber nach. Schließlich antwortete er: »Wieso sollte es Gott erzürnen? Er ist der Gott der Juden ebenso wie der unsere. Sie beten zu ihm und befolgen seine Gebote genau wie wir, nur in anderer Weise. Sie unterscheiden zwischen Recht und Unrecht nach den gleichen Grundsätzen wie wir. Dieses Mädchen und ihre Familie … Es sind gute Menschen, Mylord. Gottesfürchtiger, gütiger und barmherziger als die Mönche, die mich drei Jahre auf einer Insel eingesperrt haben. Unter Bedingungen, die Ihr nicht einmal Euren Jagdhunden zumuten würdet. Mich und andere, die keines Verbrechens schuldig waren, sondern nur das Unglück hatten, keine vollkommenen Exemplare der göttlichen Schöpfung zu sein.« Er bemühte sich, ruhig und sachlich zu sprechen, aber er hörte selbst, dass seine Stimme vor unterdrücktem Zorn bebte.
Gloucester ließ ihn nicht aus den Augen. »Ich wäre der Letzte, der dir widerspricht, wenn du sagst, dass Gottes Vertreter auf Erden nicht immer sind, was sie sein sollten. Dass manche ihre Macht missbrauchen und Gottes Gebote vergessen. Sieh dir nur Stephens Bruder Henry an, den ehrwürdigen Bischof of Winchester. Er ist eine intrigante, machtgierige Natter. Aber keiner von uns kann es sich leisten, der Kirche den Rücken zu kehren, Alan, denn sie beherrscht die Welt.«
Alan hob scheinbar gleichmütig die Schultern. »Ich werde ihr nicht den Rücken kehren, wenn sie mich nicht verstößt.«
»Nun, ich kann nur hoffen, dass du nicht eines Tages einen höheren Preis bezahlen musst, als du dir leisten kannst. Sollte der junge Henry zurück nach England kommen, um sich seinen Anspruch zu erkämpfen, wird er keinen Mann in seiner Nähe haben wollen, der sich den Unmut der Bischöfe zugezogen hat.«
Alan dachte an die Mär von Henrys Dämonenblut, die sein junger Cousin mit so unverhohlenem Stolz erzählte, und er konnte ein Grinsen nicht ganz unterdrücken, als er erwiderte: »Ich könnte mir vorstellen, dass Henrys Respekt vor der heiligen Mutter Kirche und ihren Bischöfen auch ein wenig zu wünschen übrig lässt.«
Helmsby, Juli 1147
Seine drei Cousins, Roger, Athelstan und Ælfric, begleiteten Alan nach Hause, und sie waren gute Gesellschaft, stellte er ohne große Überraschung fest. Das waren sie immer gewesen. Sie taten willig, was er ihnen auftrug, benahmen sich passabel, wenn sie abends an einem Gasthaus haltmachten, und ließen ihn weitgehend in Ruhe, vollauf zufrieden damit, nebeneinanderzureiten, wenn die Breite der Straße es zuließ, und leise unter sich zu reden und zu lachen. So war es immer schon gewesen, entsann sich Alan. Roger, Athelstan und Ælfric bildeten seit ihrer Kindheit in Helmsby ein unzertrennliches Kleeblatt. Sie hatten Alan niemals aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen, aber sie hatten auch nie versucht, die Bollwerke einzureißen, die er um sich errichtete. Sie brauchten ihn nicht, so wenig wie umgekehrt.
Dennoch schwang ein leiser Vorwurf in Athelstans Stimme, als er sagte: »Es wär besser gewesen, du hättest uns mitgenommen, als du damals aus Bristol verschwunden bist. Dann wäre das alles vielleicht gar nicht passiert.« Sie saßen am letzten Abend ihrer viertägigen Reise am Ufer eines stillen Sees, wo sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Das kleine Feuer war heruntergebrannt, sodass sie nicht geblendet waren und einander gut erkennen konnten.
»Tja, wer weiß. Aber du warst verwundet, oder?«, fragte Alan. Es klang unsicher. Ständig ertappte er sich dabei, dass er seinem wiedergefundenen Gedächtnis nicht so recht traute. »Ein Armbrustbolzen hatte dich am Arm erwischt?«
»Oh, das war nichts«, widersprach Roger wegwerfend. Er hatte keine Stirnglatze wie sein Bruder, der Steward, sondern im Gegenteil einen dichten Lockenschopf, der in einen ebenso üppigen, gelockten Bart überging, sodass sein Gesicht wie von einer Löwenmähne umrahmt war. »Er hätte schon reiten können. Aber du hast nicht erlaubt, dass wir mitkommen. Weil der alte Wolf dir verboten hatte zu gehen.«
Alle Männer in Bristol nannten den Earl of Gloucester so. Alan erhob keine Einwände, weil seine Ritter den despektierlichen Spitznamen mit so offenkundiger Ehrfurcht aussprachen.
»Als es hieß, Geoffrey de Mandeville habe dich
Weitere Kostenlose Bücher