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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und vollbracht hatten.
    Und in gewisser Weise hatten sie recht. Alan stellte fest, dass es ihm unmöglich war, an diese Vergangenheit anzuknüpfen. Und er machte eine weitere Feststellung, die ihn erschütterte: Er hatte zahllose Bewunderer in Bristol, aber nicht einen einzigen Freund.
    Die drei Ritter aus Helmsby, die er vor langer Zeit hergeführt hatte und die hier Dienst getan hatten, während sie unbeirrbar auf seine zunehmend unwahrscheinliche Rückkehr warteten, kamen der Rolle von Freunden noch am nächsten. Es waren Männer in seinem Alter, die zusammen mit ihm in Helmsby aufgewachsen und ihm bereitwillig in den Krieg gefolgt waren. Sie waren sogar entfernte Cousins: Guillaumes jüngerer Bruder Roger FitzNigel, Athelstan of Blackmore und Ælfric Wolfsson, Nachfahre des legendären Ælfric of Helmsby, von dessen Tod Alan in der Chronik gelesen hatte. Aber selbst zu ihnen bestand eine spürbare Distanz. Früher hast du niemanden gebraucht , hatte seine Großmutter gesagt. Du warst der einzige wirklich unabhängige Mensch, den ich je kannte … Jetzt lernte er jeden Tag aufs Neue, dass sie recht gehabt hatte, und wenngleich er seine Unabhängigkeit immer noch schätzte, beschlich ihn doch die unangenehme Frage, ob es nicht ein Beweis für innere Leere und Wertlosigkeit war, keine Freunde zu haben und auch keine zu brauchen.
    »Alle sind enttäuscht«, sagte Alan ratlos zu seinem Onkel.
    »Hm, sogar die Huren«, bemerkte Gloucester mit einem süffisanten Lächeln. »Früher verging kaum eine Nacht, ohne dass du die bunten Zelte im unteren Burghof besucht und die Damen bezaubert hast, weil du jede wie eine Königin behandelt hast. Das ist eine große Gabe, die ein Mann pflegen sollte, sonst wird sie stumpf.«
    »Mag sein.« Alan seufzte. Aber nichts zog ihn mehr zu diesen koketten Schönheiten. Die Begegnung mit dem Bauernmädchen im Wald auf dem Weg hierher war ihm eine Lehre gewesen. Sie hatte ihn körperlich erleichtert, doch er hatte sich dumpf und ausgehöhlt gefühlt und obendrein ein schlechtes Gewissen gehabt. Nicht weil er die Notlage des Mädchens ausgenutzt hatte, musste er gestehen, sondern weil es ihm das Gefühl gegeben hatte, Miriam zu betrügen. Es hatte seine Sehnsucht nach ihr nur verschlimmert.
    Gloucester studierte sein Gesicht, und es funkelte in den dunklen Augen, sodass sie mit einem Mal wieder jung und lebhaft wirkten. »Liegt es im Bereich des Möglichen, dass der unnahbare Alan of Helmsby bis über beide Ohren verliebt ist?«
    Die fraglichen Ohren wurden heiß. »Ich fürchte, so ist es.«
    »Ah. Jetzt wird mir einiges klar. Und wer ist die Glückliche?«
    »Ein jüdisches Mädchen aus Norwich.«
    Der sonst so vornehme Gloucester spuckte seinen Wein im hohen Bogen ins Stroh – nicht indes aus Verachtung, so schien es, sondern vor Verblüffung. »Allmächtiger! Und ihret wegen willst du deine Ehe mit Susanna auflösen? Mein lieber Junge … Das ist mehr als ein bisschen wunderlich. Es ist Sünde. Und, nebenbei bemerkt, gesellschaftlicher Selbstmord.«
    »Ich weiß. Und es ist mir gleich. Ich muss sie bekommen, und ich würde noch ganz andere Dinge dafür tun. Ich erwarte nicht, dass Ihr das versteht. Ich verstehe es selbst nicht. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ein Gefühl so übermächtig sein kann. Aber noch nie in meinem Leben habe ich etwas so gewollt wie sie. Die Einzigartigkeit dieses Verlangens ist mir erst klar geworden, nachdem ich mein Gedächtnis wiedergefunden habe. Ich habe … noch nie im Leben so etwas empfunden. Und es ist kostbar, sagt, was Ihr wollt.«
    Gloucester seufzte und winkte ungeduldig ab. »Ihr Helmsby seid doch weiß Gott alle gleich: dein Urgroßvater, deine Großmutter, deine Mutter. Einer wie der andere haben sie sich das Leben bitter gemacht, weil sie glaubten, ohne den einen Menschen nicht leben zu können.« Er neigte sich ein wenig vor. »Und jetzt du.«
    Auf die Idee, dass er eine Art Familientradition fortsetzte, war Alan noch nicht gekommen, und sie war ihm ein Trost. Er kam sich gleich viel weniger verrückt vor. »Ihr seid nicht der Einzige, der so denkt«, bemerkte er. »Ihr Vater hält auch nichts davon. Und ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich tun kann, um ihn umzustimmen. Aber ich werde einen Weg finden. Und die Folgen sind mir völlig gleich.«
    »Das glaubst du, weil du noch so jung bist. Aber lass es dir von einem Mann gesagt sein, der weiß, wovon er spricht: Wenn du ein Greis von fünfzig Jahren bist und der Tag näher

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