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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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den Kopf. »Niemand, den du kennst. Es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen.«
    »Oh, komm schon, verrat mir ihren Namen«, bat Haimon.
    Alan musste lachen. »Nein.«
    Haimon seufzte. Dann wechselte er das Thema. »Es muss sich merkwürdig anfühlen, sein Gedächtnis zu verlieren und dann plötzlich wiederzufinden. Hast du dich auf einen Schlag an alles erinnert?«
    »Nein. An vieles. Es ist auf mich eingestürzt wie ein Haus, das in sich zusammenfällt. Merkwürdig wird dem Erlebnis nicht ganz gerecht. Es war wohl das … Erschütterndste, was mir je passiert ist. Aber ich habe immer noch Lücken. Ich weiß zum Beispiel nach wie vor nicht, was passiert ist, als ich damals von hier aufgebrochen bin.«
    »Nun, wenn du es nicht weißt, weiß es wohl niemand«, bemerkte Haimon leichthin. Es schien ihn nicht sonderlich zu bekümmern. »Du bist allein losgeritten, und dann hat die Erde sich aufgetan und dich verschluckt. So kam es uns jedenfalls vor. Ich habe dich gesucht, weißt du. Wochenlang.«
    Alan war gerührt, aber er entgegnete spöttisch: »Warum? Mein Verschwinden kann dir nicht so ungelegen gekommen sein.«
    Haimon grinste. »Warum wohl? Großmutter hat mir die Hölle heißgemacht.«
    »Natürlich …«
    »Aber du warst einfach verschwunden. Im wahrsten Sinne des Wortes spurlos.«
    »Nun, wie dem auch sei. Ich werde mich erinnern, oder ich werde mich nicht erinnern. Allmählich komme ich zu dem Schluss, dass es vielleicht nicht so wichtig ist, wie es mir scheint. Ich meine … es ist unglaublich, nach beinah drei Jahren sein Gedächtnis zurückzubekommen, aber es birgt die Gefahr, dass man der Vergangenheit zu viel Bedeutung beimisst. Wo doch die Gegenwart eigentlich viel wichtiger ist. Und die Zukunft.«
    »Die Zukunft mit deiner geheimnisvollen Dame.«
    »Das hoffe ich zumindest.«
    Zum ersten Mal seit ihrer Kindheit tauschten sie ein gänzlich unkompliziertes Lächeln. Dann leerte Haimon seinen Krug, stellte ihn auf den Boden, hob die Hand zu einem nachlässigen Gruß und ging zum Tor. Dort hielt er noch einmal an. »Übrigens«, sagte er über die Schulter. »Susanna hat sich gegen das Kloster entschieden. Sie will in Fenwick bleiben.«
    »Susanna ist in Fenwick?«, fragte Alan stirnrunzelnd. Das verstand er nicht.
    Sein Cousin erklärte es ihm. »Sobald ihr geschieden seid, wird sie mein Mündel, nicht wahr? Sie hat ja niemanden mehr außer mir. Und ich habe getan, was so viele Vormunde gern tun, und sie in mein Bett geholt. Oh, keine Bange, Alan, ich musste sie nicht zwingen. Sie kam ganz freiwillig. Du weißt wahrscheinlich, dass ich immer scharf auf sie war, oder? Ich nehme an, deswegen hast du sie geheiratet. Es ist fast ein bisschen so wie früher, weißt du, wenn ich deine abgelegten Kleider auftragen musste, aus denen du herausgewachsen warst. Beinah eine liebe alte Gewohnheit.« Und damit ging er hinaus.
    Alan stand stockstill an die Kornsäcke gelehnt und sah ihm nach. Sein Gesicht fühlte sich mit einem Mal seltsam kalt an in der Hitze. Was für ein Narr war er nur, dass er geglaubt hatte, Haimon könne ihm jemals vergeben?
    Er vermisste die Zwillinge und vor allem Simon, und er beneidete sie ein wenig um ihr Abenteuer auf dem Kontinent, aber dank der vielen Arbeit hatte er kaum Gelegenheit, darüber nachzugrübeln.
    Luke war seit dem Zwischenfall am Dorfbrunnen niedergeschlagen und ungewöhnlich still, aber der Vorfall hatte sich nicht wiederholt. Oswald, der sich mit Veränderungen sonst immer schwertat, hatte das neuerliche Verschwinden ihrer drei Gefährten erstaunlich gut verkraftet. Alan hatte ihm mehr Zeit gewidmet, als er eigentlich erübrigen konnte, und ihm geduldig erklärt, es sei ganz normal, dass Menschen manchmal für eine Weile fortgingen, und dass es nicht gleichbedeutend damit war, seine Freunde im Stich zu lassen oder nichts mehr für sie übrigzuhaben. Oswald fand das schwer zu begreifen, beschloss aber schließlich, es zu glauben, weil »Losian« es sagte, und fand zu seinem eigentlich fröhlichen Naturell zurück. Alan war erleichtert. Nur der Gesundheitszustand des Jungen machte ihm Sorge: Oswald schien die anhaltende Hitze nicht gut zu vertragen, war oft kurzatmig und ermüdete leicht.
    In Schwermut verfallen war dieses Mal indes ein anderes Mitglied ihrer Gemeinschaft: Die Zwillinge hatten schweren Herzens eingesehen, dass Grendel sie nicht auf ihre Reise begleiten konnte. Nun lag der große Hütehund meist teilnahmslos in der Halle vor dem kalten Kamin, die

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