Hiobs Brüder
von dieser kleinen Mission erzählt hat.«
Es wurde eine unerwartet angenehme Reise. Das Wetter blieb ihnen gewogen, die See war ruhig, und keiner der Passagiere wurde seekrank. Kapitän Arnod hielt Wort, wies ihnen einen geschützten Platz an Deck zu, und kurz vor Sonnenuntergang brachte einer der Matrosen ihnen Schalen mit lauwarmem Eintopf. Er bot keine besondere Gaumenfreude, aber zumindest enthielt er ordentlich Fisch und Mehlklößchen, und sie bekamen sogar einen Krug Ale dazu. Thomas Becket war ein höchst angenehmer Reisegefährte. Er vertrieb ihnen die Abendstunden mit urkomischen Geschichten über die Eigenarten der englischen und normannischen Bischöfe, aber er war kein Schwätzer, und er hörte so gern zu, wie er redete.
Als die St. Anne am nächsten Morgen in Dieppe einlief, bedauerten die drei Freunde, dass ihre Wege sich dort trennen sollten.
Wieder beäugte Becket die Laufplanke wie einen tückischen Gegner.
»Für einen sonst recht wackeren Kerl machst du ein ziemliches Gewese um die Planke«, bemerkte Godric unverblümt.
»Da hast du recht«, räumte Becket ein. »Als Knabe bin ich bei der Jagd einmal von einer Brücke in einen sehr kalten und sehr nassen Fluss gestürzt. Seither geh ich nicht gern übers Wasser.«
»Vielleicht solltest du doch Priester werden«, meinte Wulfric. »Es heißt ja, je heiliger man ist, umso leichter fällt es einem.«
Thomas Becket lachte vergnügt. »Ich glaube nicht, dass ich das Zeug zum Heiligen habe.«
Helmsby, Juli 1147
Haimon kam an einem der letzten Julitage mit der Abenddämmerung zurück nach Helmsby und fand Alan mit dem Steward zusammen in der Scheune vor, wo sie Kornsäcke zählten.
»Nanu, Cousin!« Alan rang sich ein Lächeln ab. »Ich fing an zu glauben, du seiest nach Hause geritten.«
»Mein Zuhause ist hier«, gab Haimon zurück. Er sagte es indessen ohne erkennbare Herausforderung, so als stelle er lediglich eine Tatsache fest. »Aber ich war in Fenwick, du hast schon ganz recht.« Er streifte Guillaume mit einem Blick und ruckte rüde das Kinn zum Scheunentor. »Wie wär’s, wenn du im Speicherhaus die Erbsen zählen gehst?«
Mit versteinerten Kiefermuskeln wandte Guillaume sich ab. »Es kann bestimmt nicht schaden, nachzusehen, ob du uns welche gestohlen hast. Und ich atme sowieso nicht gern die gleiche Luft wie du.« Wütend stapfte er hinaus.
Alan wartete, bis seine Schritte verklungen waren. Dann sagte er: »Haimon, mir ist daran gelegen, in Frieden mit dir zu leben, aber ich muss dich bitten, meinen Steward nicht wie einen Hörigen zu behandeln. Er ist mein Vetter und mir teuer.«
Haimon zeigte ein spöttisches Lächeln, verschränkte die Arme und lehnte sich an einen hölzernen Pfeiler. »So wie ich?«
Alan fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn. Es war mörderisch heiß in der Scheune. Er trat ans Tor, sah sich suchend im Burghof um und entdeckte einen der jungen Knechte. Er pfiff durch die Zähne.
Der Junge wandte den Kopf.
»Bring mir zwei Krüge Bier, Ine.«
»Ja, Mylord!«
Ine stob Richtung Motte davon. Das Bier wurde wohlweislich in den verschließbaren Vorratsräumen unter der Halle verwahrt.
Alan kehrte in die Scheune zurück, notierte das Zwischenergebnis seiner Zählung auf einem Schiefertäfelchen, damit er später nicht noch einmal von vorn anfangen musste, und dann schenkte er Haimon seine ungeteilte Aufmerksamkeit. »Ob du es glaubst oder nicht, du bist mir teuer. Wir haben beide keine Geschwister, und unsere Mütter waren Schwestern. Wir sollten wie Brüder füreinander sein. Stattdessen war immer nur Hader zwischen uns. Aber so muss es nicht bleiben. Du und ich haben es in der Hand, die Dinge zu ändern.«
Das schien Haimon vollkommen unvorbereitet zu treffen, und für einen Lidschlag verriet seine Miene Verunsicherung. Und Bedauern. Aber er fing sich gleich wieder. »Gib mir Helmsby«, verlangte er. »Dann werde ich dich mit brüderlicher Zuneigung Abend für Abend in meine Gebete einschließen.«
Alan antwortete nicht, sondern begann, die schweren Säcke aufzustapeln, um Platz für die nächsten zu machen, die bald kommen würden. Wie er vorausgesagt hatte, segnete Gott Helmsby dieses Jahr zur Abwechslung einmal mit einer reichen Ernte, und jeden Tag kamen die Bauern, um den Teil abzuliefern, der Alan als Pacht zustand.
»Wozu schuftest du hier in der Hitze?«, fragte Haimon. Es klang ebenso verdrossen wie rastlos. »Findest du es nicht ein bisschen lächerlich, die Arbeit deiner Knechte zu
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