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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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ein verdammter Schwachkopf sein ?
    Sie erreichten den Saum des Waldes, und nicht lange nachdem sie in seinen wohltuenden Schatten getaucht waren, stießen sie auf einen Bach.
    Alan neigte sich zu Marigold hinüber und griff in die Zügel. »Hoh. Es ist ohnehin Zeit für eine Rast. Komm schon, Oswald, absitzen.«
    Oswald war den Tränen immer noch gefährlich nah. Er kletterte vom Bock. »Bist du mir böse?«
    »Blödsinn.«
    »Bist du ja doch.«
    Alan sah ihn an, schüttelte den Kopf und nahm ihn bei der Hand. »Nein. Und du musst dich jetzt endlich beruhigen. Komm her. Runter mit dem Kittel.«
    Alan warf das ganze Malheur ins Wasser, beschwerte es mit einem Stein, damit es nicht davontrieb, und hoffte, der eilige Bach werde ein Übriges tun. Dann setzte er sich ins Ufergras und klopfte einladend neben sich. »Leg dich einen Moment hin und schließ die Augen. Davon wird dir besser.«
    Oswald befolgte den Rat willig und streckte sich auf dem Rücken aus. Alan kramte das Tuch aus der Satteltasche, in welches das längst vertilgte Brot gewickelt gewesen war, tauchte es ins Wasser, wrang es aus und legte es Oswald auf die Stirn.
    »Hhm.« Es war ein wohliger Laut. »Tut gut. Danke, Losian.«
    »Keine Ursache.«
    In beneidenswert kurzer Zeit war Oswald eingeschlafen.
    Alan tränkte die Pferde, aß einen Happen, döste selber ein bisschen im duftenden Gras, und schließlich fischte er Oswalds Gewand aus dem Bachbett und hielt es prüfend hoch. Tadellos, stellte er zufrieden fest und begann, es gründlich auszuwringen. Und dann traf ihn etwas wie ein Felsbrocken im Nacken.
    Alan fiel vornüber ins Wasser, benommen, aber noch hinreichend Herr seines Verstandes, um den Kopf zur Seite zu drehen, damit er nicht ertrank. Vielleicht hatte es auch nichts mit Verstand zu tun, sondern mit Überlebensinstinkt.
    Warum tust du das, Oswald?, dachte er verwirrt, als kräftige Hände ihn an den Schultern packten und aus dem Wasser zogen.
    »Ich hab mich kürzlich mal an eine Wäscherin am Fluss angeschlichen und es ihr von hinten besorgt, ohne dass sie je rausgekriegt hat, wer’s war«, sagte eine vollkommen fremde Stimme auf Normannisch. »Daran hast du mich gerade erinnert.«
    »Was für eine hinreißende Geschichte«, murmelte Alan, den Mund voller Grashalme.
    »Du sahst nicht so verlockend aus wie sie, aber du weißt so wenig, wer ich bin, wie die kleine Schlampe es wusste, he?«
    Ein Stiefel landete in Alans Magengrube. Und weil er von dem Schlag auf den Kopf noch so erledigt war, versagte der wundersame Schutzmechanismus seiner Bauchmuskeln. Der Tritt schnürte ihm die Luft ab, Tränen schossen ihm in die Augen, und er rang hustend um Atem. »Nein«, brachte er schließlich zustande. »Aber ich nehme an, du kommst geradewegs aus Blackmore.«
    »Wo zum Teufel soll das sein?« Eine Hand krallte sich in Alans Haare und riss seinen Kopf hoch. Er starrte in ein Gesicht, das er noch nie im Leben gesehen hatte, das ihn aber auf unbestimmte Weise an irgendwen erinnerte. Nur vage nahm er zur Kenntnis, dass jemand anderes seine Hände auf den Rücken zerrte und fesselte. Wer immer ihn hier aufgespürt hatte, war nicht allein gekommen.
    »Kennen wir uns?«, fragte er mit grotesker Höflichkeit.
    »Mein Bruder hatte das Vergnügen deiner Bekanntschaft. Ihr seid euch in Woodknoll begegnet. Vielleicht erinnerst du dich? Du hast ihn bei der Gelegenheit umgebracht.«
    Alan erinnerte sich in der Tat. Er nickte. »Du bist … Rollo de Laigle.«
    Das Gesicht über ihm verzerrte sich zu einer grinsenden Fratze. » Enchanté , du Hurensohn …«
    Die Faust, die auf sein Gesicht zuflog, steckte in einem Kettenhandschuh. Im letztmöglichen Moment drehte Alan den Kopf weg, und sie traf seine Schläfe.
    Wieder drohte ihm alles zu entgleiten. Er hörte einen Hund bellen. Grendel, natürlich. Dann ging das Bellen in ein Jaulen über und verstummte abrupt. Oswald fing an zu schreien: »Grendel! Losian! Grendel!«, und Alan wurde gepackt − von immer mehr Händen, so kam es ihm vor –, in die Höhe gezerrt, und die Fäuste prasselten wie Steinschlag auf ihn nieder. Rollo de Laigle war kein Anfänger, das hatte Alan schon bei dem ersten Schlag in den Nacken gewusst. Er kassierte eine munter sprudelnde Platzwunde über der Augenbraue, eine Reihe Hammerschläge vor Brust und Bauch und einen bedenklich lockeren Backenzahn, ehe er die altvertraute Stimme seines Onkels Gloucester in seinem Kopf hörte: Konzentrier dich ! Denk nach. Vergiss den Schmerz. Vergiss das

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