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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Blut. Sie bedeuten gar nichts. Überleben bedeutet alles.
    Auf diese Stimme war immer Verlass gewesen, sogar in den Zeiten, da er vergessen hatte, wem sie gehörte. Sie kam, wenn er sie brauchte, und sie nahm ihm die Furcht. Sie machte ihn ruhig und kalt und gefährlich. Er öffnete die Lider und sah aus dem Augenwinkel zwei Paar behaarter Hände, die seine Arme gepackt hielten. Dann blickte er Rollo de Laigle in die verengten, wasserblauen Augen und sprang, als die Faust zuschlug. Sein linker Fuß brach de Laigle das Handgelenk, mit dem rechten trat er ihn vor die Brust.
    De Laigles Kumpane hatten nicht damit gerechnet, sein ganzes Gewicht halten zu müssen, und alle drei gingen sie zu Boden.
    Rollo de Laigle war ebenfalls hingeschlagen, rang japsend nach Luft und hielt sich die gebrochene Rechte mit der Linken.
    Oswald kniete ein paar Schritte entfernt im Gras, von Kopf bis Fuß blutüberströmt. Aber es war nicht sein Blut, erkannte Alan. Oswald hielt Grendel in den Armen, dessen durchtrennte Kehle wie ein schauerlich grinsender Mund klaffte, und der Junge schrie sein Entsetzen und seinen Schmerz zum Himmel empor.
    Alan war der Erste, der wieder auf die Füße kam, aber auch de Laigle sprang sofort wieder hoch. Wie Alan befürchtet hatte, gehörte sein Gegner nicht zu der Sorte, die sich mit einer gebrochenen Hand jammernd vom Feld der Ehre zurückzog. De Laigle zückte die Klinge mit der unverletzten Linken und setzte sie ihm an die Kehle. Alan wich zurück, bis er mit dem Rücken an einen Baumstamm stieß.
    De Laigle folgte. »Stopft dem Schwachkopf das Maul«, befahl er seinen Kumpanen.
    Einer von ihnen ging mit großen Schritten auf Oswald zu und ohrfeigte ihn. »Halt’s Maul«, knurrte er.
    Oswald heulte lauter – völlig außer sich und in seiner Panik unfähig, zu verstehen, was der Mann ihm sagte, der ihn unbarmherzig weiterschlug. Alan sah zu und setzte alles daran, ein unbeteiligtes Gesicht zu machen. »Still, Oswald«, befahl er. Es klang schärfer, als der Junge es von ihm gewöhnt war, aber es funktionierte. Das hysterische Geheul verebbte zu einem leisen Weinen – todtraurig und herzerweichend. »Sie haben Grendel totgemacht. Sie … haben Grendel totgemacht, Losian …«
    Alan antwortete nicht.
    »Wieso nennt er dich so?«, fragte de Laigle irritiert.
    »Woher soll ich das wissen?«, gab Alan zurück. »Er ist schwachsinnig, ich schätze, das ist nicht einmal dir entgangen. Die Bauern in Blackmore haben ihn mir mitsamt dem Karren geborgt, weil sie jetzt während der Ernte niemanden sonst entbehren konnten. Also wie soll ich wissen, was in seinem idiotischen Kopf vorgeht?«
    Die Miene, mit der Oswald diese scheinbare Enthüllung seiner wahren Gefühle aufnahm, konnte Alan kaum aushalten. Sie war nicht einmal gekränkt. Sie zeigte eine Verlorenheit, die jedes andere Gefühl zu Asche zerfallen ließ. Und das Wissen, dass er vermutlich keine Gelegenheit mehr bekommen würde, Oswald die Dinge zu erklären, legte sich wie ein Bleigewicht auf Alans Herz. Aber er wusste einfach nicht, was er sonst hätte tun sollen. Denn wenn Rollo de Laigle auch nur ahnte, wie er in Wahrheit zu seinem sonderbaren Begleiter stand, dann würden sie Oswald vor seinen Augen in Stücke hacken …
    »Wie hast du mich gefunden?«, fragte Alan, um de Laigles Aufmerksamkeit von Oswald abzulenken.
    Der Normanne hob die massigen Schultern. »Wie schon! Ich bin dir gefolgt. Es hat ein Weilchen gedauert, dich aufzuspüren, aber jetzt hab ich dich. Und jetzt wird abgerechnet.« Er ließ Alan nicht aus den Augen, und der Druck der Klinge unterhalb des Kehlkopfs ließ niemals nach. »Macht ein Feuer«, befahl er seinen beiden Begleitern.
    Feuer klang nicht gut, befand Alan. Er drehte möglichst unauffällig die Hände gegeneinander, aber de Laigles Trolle hatten dazugelernt: Es war keine Lederschnur, mit der sie ihn gefesselt hatten, sondern Bogensehne. Sofort schnitt sie ihm ins Fleisch, und er wusste, sie würde sich nicht dehnen lassen, der Knoten sich nicht lösen. Er war am Ende. Sein weiser Lehrmeister Gloucester hatte recht behalten: Lass dich niemals fesseln, Alan. Es ist besser zu fallen. Denn bist du einmal gefesselt, dann hast du nicht mehr in der Hand, auf welche Weise du stirbst. Du hast überhaupt nichts mehr in der Hand. Nur noch das : zu sterben wie ein Mann .
    Ich werde mich bemühen, Onkel.
    Blut rann ihm aus der Platzwunde ins Auge, und nicht nur weil es brannte, hätte er die Lider gern geschlossen. Auch um Oswald

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