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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Du flehst mich an?«, gab Alan ungläubig zurück. »Fang lieber an zu beten. Viel Zeit bleibt dir nicht mehr.«
    De Laigles Schulter bewegte sich, als versuche er, eine Hand zu heben, aber es ging nicht mehr. Er steckte bis zum Hals im Sumpf.
    »Losian …«
    Oh, Jesus Christus, warum lässt du das zu?, dachte Alan erschrocken und fuhr herum. Er packte Oswald bei den rundlichen weißen Schultern, zog ihn unsanft an sich, presste das Gesicht des Jungen an seine Schulter und hielt ihm die Ohren zu.
    Oswald sträubte sich. »Lass mich! Du bist voller Blut!«
    »Schau dich doch mal selbst an.«
    »Hol ihn raus, Losian, bitte, bitte …«
    »Wir können nichts mehr tun. Es ist zu spät. Sieh nicht hin.«
    »Helmsby … Helft mir! Um der Liebe Christi willen, helft …« Das letzte Wort ging in einem schauderhaften Gurgeln unter.
    Oswald wehrte sich nicht mehr. Alan hielt ihn fest und hatte selbst ebenfalls das Gesicht abgewandt. Er hörte das Gluckern des Sumpfes, das Aufsteigen der Luftblasen, dieses gruselige, genüssliche Schmatzen. Er musste es nicht sehen. Jeder, der hier aufgewachsen war, wusste, wie es aussah, wenn ein Mensch im Moor ertrank. Und jeder, der hier aufgewachsen war, warnte Fremde vor den verräterischen dunklen Sumpfgrasbüscheln, statt sie hinzulocken. Oder zumindest fast jeder …
    Als das Moor still geworden war, ließ er Oswald los und sah in seine Augen. Schock und Verstörtheit hatten sie verdunkelt. Wieder einmal war der Junge blau im Gesicht, und er zitterte.
    »Was ich da vorhin gesagt habe, war ein Trick, Oswald.«
    »Ich weiß. Zuerst wusst’ ich’s nicht, aber dann doch.« Er zeigte ein kleines, klägliches Lächeln, das sofort wieder verschwand. »Grendel … Er wollte die Männer beißen, und da hat der eine … Godric und Wulfric werden so traurig sein.«
    »Ja, ganz bestimmt.« Alan legte ihm den Arm um die Schultern und führte ihn zurück zum Bachufer. »Komm. Wir müssen ihn begraben. Und dann sollten wir beide ein Bad nehmen, schätze ich. Wenn wir so in Helmsby auftauchen, kriegen wir Ärger mit meiner Großmutter.«
    Der Zusammenstoß mit de Laigle hatte sie aufgehalten. Alan hatte Grendel am Ufer des Baches verscharrt, und weil Oswald davor graute, die Vögel könnten sich an Fulks Augen gütlich tun, hatte Alan dessen Leiche zu seinen Gefährten in den Sumpf geworfen. Nicht das schlechteste Grab, fand er. Vor allem für diejenigen, die schon tot waren, wenn sie hineingebettet wurden. Das Moor verwahrte seine Toten sicher. Wenn man versuchte, einen zu bergen, was die Leute hier gelegentlich taten, wenn etwa ein geliebtes Kind ertrunken war, dann gab es sie meist nicht her. Selbst wenn man sofort begann, mit Bootshaken nach ihnen zu fischen. Es verschluckte sie einfach. Dann wieder kam es vor, dass die Torfstecher schwärzlich verschrumpelte, aber völlig unversehrte sterbliche Überreste von Menschen fanden, die vermutlich seit Jahrhunderten vergessen waren. Das Moor war ein ewiges Geheimnis.
    Die beiden Freunde hatten sich selbst und ihre Kleidung gesäubert, so gut es möglich war, und waren dann aufgebrochen, denn sie hatten das Bedürfnis, den Ort des Schreckens so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Aber Alan hatte nicht gewagt, an diesem Tag noch weit zu reisen, denn Oswald war krank vor Erschöpfung.
    So kam es, dass sie erst am darauffolgenden Vormittag nach Helmsby zurückkehrten. Vor der Kirche hielt Alan an, wartete, bis Oswald vom Wagen geklettert war, und ging dann mit ihm ins dämmrige Innere.
    »King Edmund?«
    Dieser kam die Treppe von der Krypta herauf, wo die Reliquie des kleinen lokalen Heiligen verwahrt wurde, dem dieses Gotteshaus gewidmet war. Jenseits von Yare und Ouse kannte ihn niemand, doch hier wurde er glühend verehrt, obwohl die normannischen Bischöfe allesamt die fromme Stirn über lokale Heiligenkulte runzelten und Lord Helmsby gelegentlich aufgefordert hatten, dafür Sorge zu tragen, dass in seiner Kirche der »richtige« heilige Wulfstan verehrt werde.
    »Ah!« Edmund streckte ihnen lächelnd die Hände entgegen. »Da seid ihr wieder. Willkommen zu Hause.« Und an Oswald gewandt, fügte er besorgt hinzu: »Alles in Ordnung, mein Sohn?«
    Der Junge nickte.
    »Unser Ausflug verlief nicht so unbeschwert und reibungslos, wie ich gehofft hatte«, erklärte Alan grimmig. »Ich lasse Oswald bei dir, wenn es recht ist. Was er vor allem braucht, ist ein bisschen Frieden.«
    »Sicher.«
    »Was macht Luke?«
    »Ich komme gerade von ihm. Er

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