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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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mitfühlend.
    »Bis Dieppe haben wir nur drei Tage gebraucht, aber dann haben wir dich zehn Tage lang gesucht«, antwortete Simon. »Wo immer wir hinkamen, warst du gerade fort. Das sei typisch, sagte uns der Prior von St. Serge in Angers. Er äußerte den Verdacht, dass du des Nachts von einer Burg zur nächsten fliegst. Aber nicht mithilfe himmlischer Mächte, meinte er wohl.«
    Henry gluckste in seinen Cidre. »Er kann mich nicht ausstehen, fürchte ich. Er kam einmal in die Halle meines Vaters in Angers, um für uns zu predigen, und ich bin eingeschlafen und von der Bank gekippt …« Er seufzte in komischer Zerknirschung. »Jetzt ist er beleidigt. Tatsache ist: Ich bin die letzten Wochen kreuz und quer durch Anjou gehetzt, um Truppen für meinen Vater auszuheben. Darum war ich schwer zu finden. Aber nun erzählt. Wie war die Reise?«
    Während Simon berichtete, ließ er genau wie die Zwillinge den Blick durch die Halle schweifen. Sie war ein altes hölzernes Bauwerk, zu klein, verrußt und dämmrig. Alle Tische bis auf die hohe Tafel waren beiseitegeräumt worden. Eine Traube aus Rittern und Soldaten hatte sich um einen fahrenden Händler geschart, der Messer und Pfeilspitzen, Gürtelschnallen und bronzene Spangen feilbot. Ein fein gekleideter Edelmann mit grauen Locken sprach mit einem Mann in der Lederkappe eines Handwerkers, der mit einem spitzen Eisen Linien in den festgestampften Lehmboden zog.
    »Das ist unser Kastellan, Hugo de Mazé, mit Meister Georges«, erklärte Henry, der Simons Blick gefolgt war. »Georges ist ein bekannter Burgenbaumeister. Ich will Chinon ausbauen. Helmsby hat mich auf die Idee gebracht. Aber ich will etwas viel Größeres.« Er machte eine weit ausholende Bewegung mit beiden Armen, um ihnen zu veranschaulichen, welch hochfliegende Pläne er hatte. »Die Hügellage über dem Fluss ist unschätzbar«, fügte er nüchterner hinzu. »Ein perfekter Platz für eine Festung. Zum Glück ist mein Vater ausnahmsweise einmal der gleichen Meinung wie ich und gibt mir das Geld. Na ja. Er kann es sich leisten. Die Normandie ist wahrhaftig eine fette Beute.« Er grinste frech.
    »Wir haben unterwegs einen Gesandten des Erzbischofs von Canterbury getroffen, der zu deinem Vater unterwegs war«, fiel Simon ein. »Die englische Kirche scheint nicht mehr so unverrückbar auf König Stephens Seite zu stehen wie einst.«
    »Hm.« Henry brummte. »Der Erzbischof von Canterbury sollte sich darauf besinnen, dass ich der rechtmäßige Erbe der englischen Krone bin. Mir sollte er seinen Gesandten schicken, nicht meinem Vater.«
    Simon runzelte überrascht die Stirn. »Das klingt, als misstrautest du deinem Vater.« Er wusste, dass Henry und der kaum weniger temperamentvolle Geoffrey von Anjou gern und häufig stritten, aber er hätte nicht gedacht, dass ihr Verhältnis ernsthaft getrübt war.
    Henry stierte einen Moment missmutig vor sich hin, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, ich misstraue ihm nicht. Aber er sagt, ich müsse mich gedulden. Und das gehört nicht gerade zu den Ratschlägen, die ich gern höre.«
    »Nein, ich weiß«, entgegnete Simon lächelnd und tauchte die Hände in die Wasserschale, die der gleiche Knappe ihm höflich hinhielt.
    Der Junge trug seine Schale zu den Zwillingen.
    »Und?«, fragte Godric eine Spur nervös. »Was sollen wir damit?«
    »Hände waschen«, raunte Simon ihnen zu.
    »Ah«, murmelte Wulfric. »Dann gibt’s hoffentlich bald Essen?«
    Kaltes Wildbret wurde aufgetragen, und Henry verlangte und bekam einen Krug Wein. »Morgen müssen wir auf die Jagd, wenn wir nicht verhungern wollen«, bemerkte er beiläufig. Dann kam er auf ihr ursprüngliches Thema zurück. »Mein Vater hat versprochen, mir die Normandie zu geben, denn nur mit der Normandie im Rücken kann ich ernsthaft hoffen, in England erfolgreich zu sein. Er weiß das, und er hat gesagt, er gibt sie mir. Ich habe keine Bedenken, dass er mich hinhalten oder hintergehen will. Doch König Louis, der zwar ein Schlappschwanz, aber unser Lehnsherr ist, sagt, ich kann die Normandie erst kriegen, wenn ich einundzwanzig oder zum Ritter geschlagen bin.«
    »Dann soll er dich eben zum Ritter schlagen«, sagte Simon.
    »Er behauptet, ich sei zu jung. Und noch schlimmer: Mein Vater behauptet das auch.«
    Simon aß ein Stück Hirschbraten – außen verbrannt und innen zäh – und dachte nach. Dann nickte er. »Na ja. Das gibt sich mit der Zeit.«
    Henry streckte den Arm aus und drosch ihm lachend auf die Schulter.

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