Hiobs Brüder
dann wieder los. »Ich werde dich so nehmen, wie du bist, und du wirst mich nehmen müssen, wie ich bin. Unser Glaube ist unterschiedlich, aber unser Gott ist derselbe. Eure Gebote sind auch die unseren. Wir …« Er wusste nicht weiter.
»Wir werden die Gegensätze überbrücken, wenn unsere Liebe stark genug ist«, sagte sie nüchtern.
Er nickte, erleichtert, dass sie die Worte fand, die er vergeblich gesucht hatte.
»Einfach wird es nicht«, prophezeite sie.
»Nein, so viel ist sicher.«
»Was wird dir passieren, wenn du eine jüdische Frau nimmst? Wirst du … ein Geächteter unter deinesgleichen sein? Werden deine Freunde sich von dir abwenden? Wirst du mich eines Tages ansehen und mich dafür verfluchen, dass du einen Preis zahlen musstest, der viel zu hoch war?«
»Nein.« Es klang schroff, und er ergriff eilig wieder ihre Hand, um es abzumildern. Dann setzte er sich zu ihr. »Nein, Miriam. Ich schwöre dir, dass das niemals passieren wird. Mir ist gleich, was diejenigen denken, die sich meinesgleichen nennen. Um die Freunde, die sich abwenden werden, ist es nicht schade, will mir scheinen. Es gibt nur einen Mann, an dessen Einwilligung mir gelegen ist, und das ist dein Vater.«
Sie lehnte die Stirn an seine Brust. »Er wird sie niemals geben. Ganz gleich, was du sagst oder tust. Denn wenn ich einen Ungläubigen heirate, werde ich eine Ausgestoßene sein. Meine Familie wird in vorgeschriebener Weise ihre Gewänder zerreißen und mich betrauern, als wäre ich gestorben.«
Alan musste ein Schaudern unterdrücken. »Und wirst nicht du diejenige sein, die eines Tages feststellt, dass dieser Preis zu hoch war?«
Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen. »Nein.«
Nur dieses eine Wort. Keine Erklärungen, keine Beteuerungen. Aber er wusste, auch wenn die Welt um sie herum in Stücke gehen sollte, auf dieses Nein konnte er zählen. Er schloss sie in die Arme und küsste sie wieder, weniger gierig dieses Mal, aber umso inniger.
»Was werden wir tun, wenn er nicht nachgibt?«, fragte sie schließlich.
»Was schon? Wir brennen durch. Vielleicht wäre es nicht dumm, wenn du heimlich schon mal anfängst zu packen. Keine Truhen voll, wenn’s geht.«
Sie lächelte. »Wenn du morgen Abend kommst, wird ein kleines Bündel unter der Bank im Garten liegen. Nimm es an dich, wenn du kannst. Es gibt nicht viel, das ich mitnehmen will.«
Eine Stunde früher als verabredet erschien Alan am nächsten Nachmittag in Josuas Haus, bat den fröhlichen jüdischen Diener jedoch, ihn zu Ruben, nicht zu Josua ben Isaac zu führen.
»Er hat bereits einen Besucher, Monseigneur«, erklärte der junge Mann.
»Dann warte ich im Garten.«
Er ging hinaus, setzte sich auf die Bank und angelte möglichst unauffällig mit dem Fuß, bis er Miriams Bündel fand. Dann wartete er ein Weilchen, beugte sich schließlich vor unter dem Vorwand, ein Gänseblümchen aus dem Rasen zu pflücken, und ließ das Bündel unter seinem Gewand verschwinden. Immer noch ohne Hast stand er auf, trug es in den Hof und verstaute es in seiner Satteltasche.
Aus dem nahen Kontor hörte er Stimmen. Die eine war wie das sanfte Brummen einer Hummel – Ruben. Die andere klang schrill und aufgebracht. »Wie könnt Ihr es wagen, solche Forderungen zu stellen! Niemand schreibt dem ehrwürdigen Bischof von Norwich vor, wann und wie er ein Darlehen zurückzuzahlen hat, ganz sicher kein gieriger jüdischer Wucherer!«
Alan spähte zum offenen Fenster, aber er konnte niemanden sehen. Ruben antwortete, immer noch erstaunlich gelassen und leider so leise, dass Alan ihn trotz höchster Konzentration nicht verstehen konnte, aber der jüdische Kaufmann wurde unterbrochen:
»Was heißt hier Vereinbarung! Wir benötigen Klostergebäude und einen Kreuzgang, die der Kathedrale angemessen sind. Alles wird teurer und dauert länger als erwartet, das ist nicht unser Verschulden! Und wenn Ihr glaubt, Ihr könnt die Zinsen noch einmal erhöhen, dann befindet Ihr Euch im Irrtum! Guten Tag, Ruben ben Isaac. Seine Eminenz bekommt das zusätzliche Darlehen auch anderswo.«
Schritte näherten sich der Tür, und Alan tauchte unter Conans Hals hindurch und hockte sich auf der anderen Seite seines Pferdes auf die Erde, um nicht gesehen zu werden. Die hölzerne Pforte des Kontors wurde aufgerissen, und ein Mönch stürmte heraus. Das Gesicht unter der Kapuze war bedenklich scharlachrot, das Habit aus edelstem Tuch umflatterte die Beine, als er aus dem Tor eilte.
Ruben ben Isaac kam an
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