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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Gasthaus?«, verwunderte sich Josua. »Nicht im Kloster und nicht auf der Burg?«
    »Nein, lieber nicht. Die Burg ist mir zu unsicher. Die Garnison von Norwich war immer klug genug, sich aus dem Krieg zwischen Stephen und der Kaiserin herauszuhalten, aber das heißt nicht, dass sie die Gelegenheit verstreichen lassen würde, mich gefangen zu setzen und an Stephen zu verscherbeln, nicht wahr? Und im Kloster will ich mich im Moment lieber auch nicht blicken lassen. Der Bischof ist nicht gut auf mich zu sprechen.«
    Josua zog verwundert die Stirn in Falten. »Warum nicht?«
    Alan sah ihm in die Augen. »Ich habe ihn gezwungen, meine Ehe zu scheiden.«
    Josua erwiderte den Blick scheinbar ungerührt. »Wie ausgesprochen ungehörig von Euch.«
    »Das fand er auch. Trotzdem hat er es getan, denn die Ehe verstieß gegen das Gesetz der Kirche, darum blieb ihm nichts anderes übrig. Ich bin also ein freier Mann. Hier, seht selbst.« Er zog die Urkunde unter dem Bliaut hervor, wo er sie getragen hatte, faltete den Pergamentbogen auseinander und legte ihn auf den Tisch, Schrift und Siegel Josua zugewandt.
    Doch der würdigte sie keines Blickes. »Ich wüsste nicht, wieso dieses Schriftstück mich interessieren sollte.«
    »Josua …«
    »Nein.« Der Arzt hob beide Hände zu einer abwehrenden Geste. Sein Ausdruck war mit einem Mal abweisend und streng.
    Alan verspürte den Drang, diese warnenden Anzeichen zu ignorieren, den einmal eingeschlagenen Kurs stur weiterzuverfolgen, notfalls mit dem Kopf durch die Wand. So wie er es früher getan hätte. Unbeirrbar und ohne auf irgendwen zu hören hatte er getan, was er für richtig hielt, jeden Einwand beiseitegefegt, nicht selten mit dem Schwert.
    Aber er nahm sich zusammen. Um sich selbst und Josua zu beweisen, dass er ein anderer geworden war. Und weil ein Gefühl ihm sagte, dass es ausgesprochen unhöflich wäre, einen Juden am Sabbat zu einem Streit zu zwingen. Wer konnte wissen, ob nicht auch das Streiten zu den neununddreißig verbotenen Verrichtungen zählte …
    Mit einem Seufzen stand Alan auf. »Wann sehen wir uns zusammen das Anwesen für das Hospital an?«
    Josua zögerte einen Moment. Dann schlug er vor: »Übermorgen? Eine Stunde vor Sonnenuntergang?«
    »Einverstanden.«
    Ihr Abschied fiel kühler aus, als Alan lieb war.
    Der folgende Tag war ein Sonntag, und der Bischof von Norwich hielt in seiner neuen Kathedrale das Hochamt. Nie zuvor hatte Alan ein so gewaltiges Gotteshaus gesehen, und als er durch das große Westtor ins Innere trat, blieb er stehen und bestaunte dieses Wunderwerk der Baukunst. Er hatte nicht gewusst, dass man so hohe Mauern mit so großen Rundbögen errichten konnte, ohne dass sie umkippten. Oder eine so riesige Decke mit Holzrippen spannen, ohne dass sie herabstürzte. Das helle Sonnenlicht, welches durch die großen Fensteröffnungen auf die farbenprächtigen Wandgemälde fiel, schien so hell und strahlend, als komme es wahrhaftig von Gott selbst, und gewiss war es allein seiner Gnade zu verdanken, dass der verwegene Hochmut der Baumeister nicht in einem Trümmerhaufen und einer Wolke aus Steinstaub geendet hatte.
    Nach der Messe kehrten die Handwerker und Kaufleute der aufstrebenden Tuchmacherstadt heim zu ihren Sonntagsvergnügungen, zu Fußballspielen, Bogenschießen oder Ringkämpfen auf den Wiesen am Fluss und einem guten Festtagsschmaus. Alan blieb zurück in der Stille der Kirche und sann darüber nach, wie es möglich war, dass der Krieg zwischen König Stephen und Kaiserin Maud so viele Menschen das Leben kosten oder für immer zeichnen konnte, hier aber so gut wie überhaupt nicht spürbar war. Das erschien ihm ungerecht.
    »Wer ist die Frau mit dem Kind auf dem Arm?«
    Alan fuhr herum. »Miriam!«
    Sie sah ihn an, und das warme Lächeln beschränkte sich auf ihre Augen.
    Alan ließ den Blick kurz zu beiden Seiten schweifen, ergriff dann ihre Hand und führte sie in eine kleine Seitenkapelle rechts vor dem Chor, wo sie den Blicken der Mönche oder zufälliger Passanten entzogen waren. Zu spät erkannte er, dass dies ausgerechnet jene Kapelle war, die der Verehrung des angeblich von den Juden ermordeten Gerberlehrlings gewidmet war. Er konnte nur hoffen, dass Miriam es nicht bemerken würde – die Wandgemälde, die das Martyrium des jungen William zeigten, waren noch nicht vollendet und obendrein auch nicht sehr kunstfertig.
    Seine Umarmung fiel ein wenig zu stürmisch aus, aber Miriam beklagte sich nicht, sondern hob ihm mit

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