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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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wurden. »John de Chesney?«, fragte er ungläubig. » Ihr seid der Sheriff von Norfolk?«
    Das Lachen des älteren Mannes klang wie das Rumpeln großer Karrenräder. »Überlegt Euch lieber gut, ob Ihr überrascht sein wollt, mein Junge. Ich könnte das als Beleidigung auffassen.«
    Alan schüttelte mit einem matten Grinsen den Kopf, und sie umarmten sich kurz. John de Chesney entstammte einem unbedeutenden Rittergeschlecht mit normannischen und angelsächsischen Vorfahren, ganz ähnlich wie Alan selbst, und war ein alter Freund und Kampfgefährte seines Onkels Gloucester.
    »Wie geht es dem alten Wolf?«, fragte der Sheriff. »Ich hab ihn seit Jahren nicht gesehen.«
    »Nicht gut, fürchte ich«, berichtete Alan gedämpft. »Ich war vor zwei Monaten bei ihm. Er ist krank, aber er sagt mir nicht, was ihm fehlt.«
    Der Sheriff schüttelte langsam den Kopf. »Wenn er diese Welt verlässt, kann Kaiserin Maud ihre Truhen packen und aus England verschwinden. Dann ist sie hier erledigt.«
    »Ich weiß.« Alan beschloss, Henry Plantagenet und dessen ehrgeizige Ziele lieber nicht zu erwähnen, ehe die Wunschträume des jungen Franzosen zu handfesten Plänen gereift waren.
    »Was nur daran liegt, dass Ihr plötzlich verschwunden wart«, behauptete de Chesney. »Wo habt Ihr nur gesteckt all die Zeit? Es hieß, Geoffrey de Mandeville, dieser Teufel, habe Euch erwischt.«
    »Wer hat Euch das erzählt?«, fragte Alan neugierig.
    Der Sheriff überlegte einen Moment. »Haimon de Ponthieu, glaube ich. Er kam hier vorbei, denn er war auf der Suche nach Euch. Er ist Euer Cousin, stimmt’s?«
    »So ist es.« Alan sah zu Josua hinüber, der leise mit seinem Bruder sprach. Miriam stand einen halben Schritt hinter ihrem Vater und sah Alan unverwandt an. Er senkte die Stimme. »Gut von Euch, dass Ihr sie hier aufnehmt und eine schützende Hand über sie haltet.«
    Der Sheriff folgte seinem Blick und hob dann die massigen Schultern. »Es war der Wunsch meines Königs. Des alten Königs, meine ich natürlich, Eures Großvaters, mein Junge. Stephen und Maud sind viel zu sehr mit ihrem Krieg gegeneinander beschäftigt, um sich um die Geschicke ihrer Untertanen zu kümmern – Juden oder Christen. Aber ich sag Euch: Ohne die Juden und ihr Geld wäre Norwich nie so schnell so reich geworden. Sie tun uns gut, und es sind anständige Menschen. Sie haben auch diesen Gerberlehrling damals nicht umgebracht, glaubt mir.«
    » Mich braucht Ihr nicht zu überzeugen«, entgegnete Alan trocken. »Ich bin Josua ben Isaac und seiner Familie freundschaftlich verbunden.«
    Zu den Tugenden eines guten Sheriffs gehörte ein scharfer Blick, und John de Chesney fragte unschuldig: »Vor allem seiner bildschönen Tochter?«
    Alan sah ihm in die Augen, und nach einem Moment nickte er knapp.
    Der untersetzte Sheriff musste sich ein wenig recken, um ihm auf die Schulter zu dreschen, tat es aber mit Hingabe. »Kommt, mein Sohn. Trinken wir einen Becher auf die Schönheit der Frauen. Und dabei könnt Ihr mir erzählen, was unten in der Stadt passiert ist. Ich wette, Anselm de Burgh, diese Natter im Mönchsgewand, steckt dahinter.«
    »Die Wette wäre gewonnen, Monseigneur«, sagte Alan und berichtete.
    Der Sheriff führte ihn an die hohe Tafel und zog ihn in den Sessel gleich neben seinem hinab, reichte ihm einen der Becher, die ein Diener brachte, und lauschte derweil konzentriert. Schließlich knurrte er: »Ich werde ein ernstes Wort mit dem Bischof reden müssen. Ich dulde nicht, dass er die anständigen Leute dieser Stadt aufstachelt und zu Bluttaten anstiftet. Es mag keinen richtigen König im Land geben, aber meine Aufgabe ist es, des Königs Frieden in dieser Grafschaft zu wahren, und bei Gott, das werde ich tun.« Er nahm einen kräftigen Zug aus seinem Pokal, um seine Worte zu unterstreichen.
    Alan kostete und war freudig überrascht, als er feststellte, dass der Sheriff Wein aus Blackmore trank.
    »Ihr wollt dieses Mädchen nicht ernsthaft heiraten, oder?«, fragte de Chesney.
    »Doch.«
    Der Sheriff seufzte und verdrehte die Augen. »Wenn Ihr das tut und es bekannt wird, rottet sich der nächste Mob zusammen, um alle Juden zu erschlagen. Das ist Euch doch hoffentlich klar.«
    »Es besteht keinerlei Grund, warum es hier in der Stadt bekannt werden sollte«, entgegnete Alan. »Im Übrigen werde ich mir um die Juden von Norwich keine Sorgen machen, solange ich weiß, dass Ihr über ihre Sicherheit wacht.« Denn der Sheriff war der erste Mann − jedenfalls der

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