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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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sieht anders aus als du.«
    »Wirklich? Und woher kennst du ihn?«
    »Er hat …« Der Mann verstummte abrupt.
    »Deinem Söhnchen das gebrochene Bein gerichtet oder deinem Weib die Kreuzschmerzen gelindert? Und du bist nun hier, um dich zu bedanken?«
    Der Kerl, der eine dänische Streitaxt führte, senkte einen Moment verlegen den Blick, hob ihn aber sofort wieder, und seine Miene war herausfordernd. »Du bist überhaupt kein Jude«, beschied er.
    »Wie kannst du so sicher sein?«
    »Juden tragen das Haar vor den Ohren lang und komische spitze Hüte«, wusste er.
    »Haar kann man stutzen und Hüte abnehmen.«
    »Juden haben alle krumme Nasen«, behauptete ein anderer. »Deine ist gerade.«
    »Na ja. Ich würde sagen, darüber ließe sich streiten. Sie war zweimal gebrochen, und wenn du genau hinschaust, siehst du es.«
    Hier und da gab es verhaltenes Gelächter. Die Stimmung hatte sich ein wenig entspannt. Bis Vater Anselm de Burgh sich nach vorn drängte. »Wer seid Ihr, und was habt Ihr hier zu suchen?«, verlangte er barsch zu wissen.
    »Das Gleiche könnte ich Euch fragen.«
    »Wir haben dem jüdischen Wucherer etwas mitzuteilen. Unmissverständlich. Wo ist er? Rückt ihn heraus!«
    Alan stellte die Laute ab und lehnte sie an seinen Schemel. »Aber Ihr habt heute Nachmittag schon bei ihm vorgesprochen. Nicht besonders höflich übrigens, wenn Ihr meine Offenheit verzeihen wollt. Das Kontor ist nun geschlossen, und Ihr müsst morgen wiederkommen.«
    »Woher könnt Ihr wissen, ob ich heute schon hier war und was ich gesagt habe?«
    »Ich stand im Hof bei meinem Pferd, und Euer Gebrüll war unmöglich zu überhören.«
    Der Mönch machte einen langen Schritt auf ihn zu. »Sieh an. Ihr seid ein Judenfreund, wie? Ihr verkehrt mit diesem gottlosen Pack.«
    »So wie Ihr offenbar auch, Vater, nicht wahr?«
    Anselm quollen vor Zorn beinah die Augen aus dem Kopf. »Davor bewahre mich der gnädige Herr Jesus Christus! Dieses jüdische Geschmeiß hat einen frommen Sohn dieser Stadt abgeschlachtet ! Ihn ans Kreuz geschlagen, ihm eine Dornenkrone aufgesetzt und sein Blut gesoffen.«
    Das leise Gekicher hier und da verstummte, und die Männer rückten vor wie ein angelsächsischer Schildwall.
    Alan stand auf. Er tat es langsam, ohne jedes Drohgebaren. »Ihr befindet Euch im Irrtum, Vater. Kein Jude hat dem Jungen ein Leid zugefügt. Er starb an einer Pilzvergiftung.«
    »Behauptet wer?«, verlangte Anselm zu wissen.
    »Ich.«
    »Und Ihr seid, Monseigneur?«
    »Alan of Helmsby.«
    Es wirkte. Die Männer blieben stehen und wiederholten den Namen als ehrfürchtiges Raunen. Alan begann zu hoffen, dass sie vielleicht Glück hatten und der hässliche Mob sich auflösen würde, um wieder in die anständigen, gottesfürchtigen und friedfertigen Männer zu zerfallen, die sie vermutlich waren, wenn man jeden einzeln betrachtete. Aber er hatte Vater Anselm unterschätzt.
    »Es ist schmerzlich, wenn gerade ein großer Mann wie Ihr den Einflüsterungen der Gottlosen erliegt, Alan of Helmsby«, sagte der, die Stimme plötzlich milde und honigsüß. »Es beweist nur wieder einmal, dass kein Mann, ganz gleich welchen Geblüts oder Standes, auf die Führung der Heiligen Mutter Kirche verzichten kann, ohne die er irrt und strauchelt. Das gilt auch für Euch. Darum heiße ich Euch: Gebt das Tor frei und lasst uns das Werk des Herrn tun, für welches wir hergekommen sind.«
    Wieder murmelten die Männer von Norwich, und hier und da sah Alan sie im Licht ihrer Fackeln nicken. Er konnte es ihnen nicht einmal wirklich verdenken: Anselm klang wie die Stimme der Vernunft, und sie waren es gewöhnt, einem Gottesmann zu gehorchen und zu folgen, denn nur die wussten wirklich, was recht war und was unrecht. Wären die Mönche von St. Pancras und die Isle of Whitholm nicht gewesen, dachte Alan, stünde ich heute vielleicht mitten unter ihnen.
    Er wandte sich wieder an den Subprior. »Was genau soll dieses Werk des Herrn denn sein, Vater?«
    »Das braucht Euch nicht zu kümmern«, gab Anselm zurück und straffte entschlossen die Schultern. »Gebt das Tor frei.«
    Ein Stein kam aus der Dunkelheit herangeflogen. Alan blieb Zeit, den Kopf wegzubiegen, und der faustgroße Brocken verfehlte ihn. Er prallte im Dunkel der Einfahrt mit einem dumpfen Laut auf ein Ziel, das weicher war als ein hölzernes Tor, was aber glücklicherweise niemand zu bemerken schien. Die aufgebrachte Meute rückte weiter vor und kam Alan nahe genug, dass er die Hitze der vorderen Fackel

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