Hiobs Brüder
spürte. Er wusste, er durfte nicht länger zögern. Mit der Schnelligkeit, die die Menschen in Blackmore und andernorts so in Staunen versetzt hatte, zog er das Schwert, hatte beide Hände am Heft, ehe irgendwer reagieren konnte, und setzte zu einem seitlichen Hieb an, um Vater Anselms Schultern vom Gewicht seines Kopfes zu befreien.
Die Männer schrien auf, als hätten sie alle plötzlich nur noch eine Stimme. Doch dieses Mal zog Alan nicht durch, sondern verharrte mit der Klinge am Hals des Mönchs.
Anselm de Burgh hielt sich kerzengerade, schloss die Augen und betete.
»Ich will Euch nicht töten, Vater …«, bekannte Alan.
»Das kann ich mir vorstellen«, knurrte Anselm. »Wer wünscht sich schon die ewige Verdammnis?«
»… aber wenn Ihr jetzt nicht den Mund haltet, könnte ich schwach werden. Also, betet nur weiter. Aber leise.« Alan sah zu dem Kerl mit der Streitaxt. »Was wollt ihr wirklich hier?«, fragte er.
»Die Schuldscheine holen und verbrennen«, antwortete der Gerber prompt. »Und jedem jüdischen Halsabschneider, der uns aufhalten will, eine Lektion verpassen, die er nie vergisst. Kein gottloser Jude sollte von einem heiligen Bischof Zinsen nehmen dürfen. Der Bischof hat seine Kirche gebaut, um Gott zu preisen. Es ist schändlich.«
Du hast schön auswendig gelernt, was Anselm dir vorgebetet hat, dachte Alan, aber er verbarg seine Verachtung. »Und doch hat der Bischof den Zinsen zugestimmt, als er sich das Geld geborgt hat. Was würdest du zu einem Kunden sagen, der dir den vereinbarten Preis für deine Häute nicht zahlt? Wie würdest du ihn nennen, hm?«
»Einen wortbrüchigen Saubeutel, Mylord, aber …«
Hier und da gab es wieder die ersten Anzeichen von Heiterkeit.
»Ich glaube, so wollen wir den ehrwürdigen Bischof lieber nicht betiteln«, erwiderte Alan. »Auch wenn es vielleicht zutrifft.«
»Aber Wucher ist gottlos, Mylord«, wandte der Vierschrötige mit der Lederschürze ein.
Alan sah zu Vater Anselm. »Ich bin überzeugt, das denkt der ehrwürdige Bischof auch. Doch muss er einen frommen Grund gehabt haben, das Geld für den Kirchenbau zu leihen. Nennt ihn uns, Vater, seid so gut.«
Anselm schwieg, als hätten die Feen ihm die Zunge gestohlen. Erst als Alan den Druck der Klinge ein klein wenig verstärkte, brachte er gepresst hervor: »Der Zweck heiligt die Mittel.«
Wie ein böiger Wind verebbte das Raunen der Männer, ehe es wieder anschwoll und ein empörtes Zischen wurde.
Der in der Lederschürze wandte sich an den Geistlichen. »Aber Ihr habt gesagt, der Bischof sei betrogen und hinters Licht geführt worden, der Wucherer hätte sein Geld als Spende ausgegeben!«
Vater Anselm besaß zumindest genug Anstand, um beschämt den Blick zu senken. »Nun, so habe ich es gewiss nicht gesagt, mein Sohn …«
»Das habt Ihr wohl«, ereiferte sich der mit der Streitaxt. »Und Ihr habt gesagt …«
Alan hob die Hand, und die Männer verstummten und sahen ihn abwartend an. Er hatte jetzt ihr Gehör, nicht Vater Anselm, erkannte er erleichtert, und ihm war, als höre er King Edmunds Stimme in seinem Kopf: Überlege gut, wie du deine Macht nutzt.
Alan befolgte den Rat und überlegte. Dann trat er einen Schritt zurück und steckte sein Schwert ein. »Geht heim«, bat er Lederschürze und Streitaxt. »Weder Jesse ben Abraham noch Ruben ben Isaac haben den Bischof betrogen, und kein Jude hat euren William getötet. Ich verbürge mich dafür.«
» Ihr verbürgt Euch für das gottlose Judenpack?«, fragte der Vierschrötige ungläubig. »Alan of Helmsby?«
Der nickte. »Unter Eid, wenn ihr wünscht.«
Die beiden Anführer verständigten sich mit einem Blick. Dann schüttelte der mit der Streitaxt den Kopf. »Ich glaube, das wird nicht nötig sein, Mylord.« Er klang eher verwirrt als überzeugt.
»Dann geht mit Gott.«
Die Männer in den vorderen Reihen – immer die entschlossensten, die sich nicht scheuten, gesehen zu werden, ganz gleich, was der Mob anrichtete – tauschten jetzt alle unsichere Blicke, sahen Alan an, dann Vater Anselm. Der Subprior bemühte sich ohne großen Erfolg, seine fragwürdige Rolle bei diesem gefährlichen Spiel durch eine besonders würdevolle Miene wettzumachen. Aber die Männer ließen sich nicht noch einmal von ihm hinters Licht führen. Als die Ersten sich abwandten und auf den Heimweg machten, ließen sie ihn grußlos stehen.
Vater Anselm schlich davon, ehe er Gefahr lief, allein mit Alan of Helmsby vor dem jüdischen Haus
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