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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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erste Christ −, der von Alans Heiratsplänen nicht schockiert war.
    Es war weit nach Mitternacht, als sie ins Judenviertel zurückkehrten. Ein paar Männer trugen Fackeln, und alle sahen sich argwöhnisch um, wenn es in den dunklen Gassen raschelte. Rechtschaffene Leute waren zu so später Stunde für gewöhnlich nicht auf der Straße, und ihnen allen saß der Schreck noch in den Knochen.
    Josua trug den schlafenden Moses auf dem Arm. Alan ging mit der Fackel neben ihm einher, betrachtete in ihrem Schein das friedliche Knabengesicht an der Schulter des Vaters und spürte die Schmach der Feindseligkeit und drohenden Gewalt, die diesen Menschen heute Abend hier entgegengeschlagen war, wie einen körperlichen Schmerz.
    Josuas Miene war grimmig. Seine Wangenmuskeln wirkten wie versteinert, er sah Alan nicht an und sprach kein Wort.
    Mit leisem Gruß verabschiedeten sich die Nachbarn und gingen in ihre Häuser, und schließlich hielt auch der Arzt vor der Tür zu seinen Behandlungsräumen an. Er reichte Miriam ihren kleinen Bruder, zog den Schlüssel unter seinem dunklen Mantel hervor und sperrte auf.
    Ungebeten folgte Alan der Familie ins Haus und beleuchtete den Weg den Flur entlang zu der Halle auf der Vorderseite des Gebäudes, die er bislang nie betreten hatte. Auch hier war eine kleine Öffnung in den Türpfosten geschnitten, in der, wie er inzwischen gelernt hatte, eine Mesusa – eine Pergamentrolle mit einigen Zeilen aus der Heiligen Schrift − steckte. Während Alan über die Schwelle trat und die Öllampen anzündete, steckten Ruben, Josua und seine Kinder die Finger in das schmale Loch, berührten die Rolle, führten die Finger dann an die Lippen und murmelten ein paar Worte auf Hebräisch.
    »Gott schütze mich bei meinem Fortgehen und bei meiner Heimkehr, jetzt und in Ewigkeit« , wiederholte David auf Normannisch und sah Alan herausfordernd an. »Es ist der pure Hohn.«
    »Nicht Alan of Helmsby hat indes deine sichere Heimkehr bedroht, sondern dein Leben beschützt«, entgegnete Josua scharf. Dann rieb er sich müde die Augen. »Geh und bring deine Frau in eure Kammer, mein Sohn. Sie muss erschöpft sein. Miriam, sei so gut und bring Moses ins Bett. Dann komm wieder her.«
    Die jungen Leute nickten, nahmen die Lampen, die Alan ihnen reichte, und gingen hinaus.
    Ruben und Josua setzten sich an den Tisch, und Letzterer lud Alan mit einer ungeduldigen Geste ein, sich ihnen anzuschließen.
    Alan zog es jedoch vor, ans Fenster zu treten, den Laden zu öffnen und zu lauschen. Die Nacht war ruhig und lau. Ein Stück die Straße hinunter fauchten zwei Katzen im Kampf um ihr Jagdrevier, und aus dem Garten drang das Zirpen der Grillen an sein Ohr. Das war alles.
    Auch in der kleinen Halle war es still. Als Miriam zurückkam, blieb sie einen Augenblick unter der Tür stehen, blickte die drei Männer der Reihe nach an und trat dann zu Alan ans Fenster.
    Er legte den Arm um ihre Schulter, aber es war ihr Vater, den er ansah.
    Josuas Hände lagen auf den Knien und waren zu Fäusten geballt. »Und nun soll ich einwilligen und Euch meine Tochter geben, weil ich in Eurer Schuld stehe? Habt Ihr Euch das so vorgestellt?«, fragte er schneidend.
    »Ganz gleich, was geschieht, ich werde immer derjenige sein, der in Eurer Schuld steht«, widersprach Alan. »Aber nicht einmal Ihr könnt leugnen, dass Gott offenbar beschlossen hat, unsere Geschicke miteinander zu verflechten. Ich hoffe auf Eure Einwilligung, weil Ihr in Eurem Herzen längst erkannt habt, dass uns mehr verbindet als trennt.«
    »Wie beglückend, dass Ihr mein Herz so genau kennt …«
    Alan blieb mit der ihm eigenen Beharrlichkeit auf seinem einmal eingeschlagenen Kurs. »Ihr sagt, Ihr wollt mir Miriam nicht geben, weil ich kein Jude bin. Daran kann ich nichts ändern. Ich bin kein Jude, obendrein ein Bastard. Aber ich werde Eure Tochter nicht ans Ende der Seidenstraße verschleppen oder sie allein zurücklassen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden, sodass sie für immer das Leben einer Witwe führen muss. Ich kann ihr das Heim und die Sicherheit bieten, die sie sich wünscht und die sie verdient hat, in diesem Land, das ihre Heimat ist. Ich sage nicht, dass es immer leicht sein wird, denn das wird es nicht, für keinen von uns. Juden und Christen werden uns gleichermaßen anfeinden. Aber vielleicht wird es auch ein paar geben, die die Augen öffnen und lernen, einander zu respektieren. Wir haben es in der Hand, Josua, Ihr und ich. Mit unserem Hospital, mit

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